Requiem für einen Rockstar (German Edition)

Auf der Bühne sind die Jungs laut und wild. Eine reine Marketingstrategie. Man kann nicht Devils heissen und wie Engel auftreten. In Wirklichkeit sind Piet und John sehr sensibel. Was in diesem harten Showbusiness nicht immer einfach ist. Man muss einiges einstecken. John konnte damit umgehen, Piet nicht. Die kleinste Kritik wirft ihn noch heute aus der Bahn. Er ist wie ein kleines Kind. Stimmt doch, Ina?»
    «Er ist ein grosses Kind», schmunzelte Ina Helmers. «Immer auf der Suche nach Zuneigung. Aber Sie wollen sicher mehr über John wissen, und nicht über Piet. Oder?»
    «Für uns sind alle Bandmitglieder von Interesse.»
    «Glauben Sie … glauben Sie», Helmers schluckte, «glauben Sie, dass einer der Jungs etwas mit Johns Tod zu tun hat, Herr Ferrari?»
    «Das wäre wohl die einfachste Lösung», lächelte der Kommissär. «Aber einfache Lösungen gibt es meistens nicht. Leider. Wir müssen diese Möglichkeit natürlich in Betracht ziehen und mit den dreien Gespräche führen. Vielleicht erfahren wir so auch, mit wem John verkehrte und, wenn wir Glück haben, wen er im Stadion treffen wollte.»
    «Wird das Konzert abgesagt?», gab Nadine dem Gespräch eine Wende.
    «Mir gefällt es nicht. Ganz und gar nicht. Aber was soll ich tun? Ich muss Piets Entscheidung respektieren. Der Veranstalter und die Stadiongenossenschaft werden vermutlich auf Schadenersatz klagen. Da müssen wir durch. Grössere Sorgen mache ich mir, weil Piet den Bettel hinschmeissen will. Er will die Devils auflösen.»
    «Glauben Sie, er macht das wirklich?»
    «Piet ist in einer ganz miesen Verfassung. Er hat heute seinen besten, nein, seinen einzigen Freund verloren. Die beiden sind seit fünfzehn Jahren unzertrennlich, haben Höhen und Tiefen erlebt und sind zusammen berühmt geworden. Die totale Leidenschaft zur Musik verbindet sie … verband sie. Ich verstehe ja Piets Reaktion, aber als Manager muss ich wirtschaftlich denken. Das ist mein Job.»
    «Piet wird es sich überlegen. Er kann nicht ohne Musik leben. Nun mach dir keine Gedanken, Hanno. Du musst ihm einige Tage Zeit geben.»
    «Ich weiss nicht, Ina … es klang ziemlich endgültig. Entschuldigen Sie, wir führen hier ein Gespräch, als ob Sie nicht dabei wären. Sie wollten mehr über John erfahren. Ich kann nur bestätigen, was Ihnen meine Frau sagte. Er hat nur wenig über sich erzählt, sich nie geöffnet.»
    «Hatte er eine Freundin?»
    «Nein, zumindest habe ich ihn nie mit einer gesehen. Bei den Roadies hiess es …»
    «Hanno, bitte nicht!»
    «Sie werden es ja doch erfahren. Die Roadies nannten ihn die kleine Schwuchtel.»
    «Nur Gerüchte, nichts als Gerüchte! Wenn jemand still, leise und introvertiert ist, nicht mit den Wölfen heult, dann wird ihm so etwas schnell angedichtet. Hat er jemals einen der Roadies belästigt? Oder ist er jemals auf der ganzen Tournee mit einem Mann in flagranti erwischt worden?», Ina Helmers’ Stimme überschlug sich.
    «Bitte, Ina, ich sage ja nur, was die Leute reden.»
    «Und anstatt dagegen zu halten, bläst du ins gleiche Rohr. Ich habe diese Arschlöcher, die nichts als Gerüchte verbreiten, satt. Entschuldigen Sie meinen Ausbruch, aber es ist doch immer das gleiche Spiel. Einer setzt eine Unwahrheit in die Welt, ergötzt sich köstlich daran und andere Idioten verbreiten sie. Aus einem Gerücht wird schnell eine angebliche Tatsache. Niemanden interessiert es, was wirklich wahr ist und was nicht. Geile Sensationen zählen mehr. Einfach widerlich. Ich lasse nicht zu, dass John noch über seinen Tod hinaus in den Dreck gezogen wird.»
    Sie warf ihre Serviette auf den Tisch, nickte Nadine und Ferrari kurz zu und verliess den Raum.
    «Ich muss schon wieder um Entschuldigung bitten. So kenne ich meine Frau gar nicht. Aber sie hat natürlich Recht. Es handelt sich wirklich nur um albernes Gerede. Vermutlich deshalb, weil man John nie mit einer Frau zusammen gesehen hat.»
    Ferrari trank in einem Zug seinen Kaffee aus.
    «Ich glaube, wir haben Ihre Zeit genügend in Anspruch genommen. Vielen Dank für das ausgezeichnete Essen und für die anregende Unterhaltung.»
    «Sie sind uns aber hoffentlich nicht böse. Ich meine wegen meiner Frau …»
    Nadine lachte.
    «Das Gegenteil ist der Fall. Ich finde es toll, wie Ihre Frau reagiert hat. Sie ist ganz nach meinem Geschmack. Sollte wieder einmal jemand eine Geschmacklosigkeit von sich geben, schlagen Sie den Kerl einfach kurz und klein. So von Mann zu Mann.»
    Hanno Helmers runzelte die Stirn