Requiem für einen Rockstar (German Edition)
scheu. Kein Draufgänger. Eher die sanfte, stille Labormaus. Der Tüftler und IT-Spezialist, der in den Katakomben des Kommissariats Verborgenes zum Vorschein bringt.
Ferrari und Nadine fuhren mit dem Lift zur obersten Etage, wo sie bereits von den Helmers erwartet wurden. Der Abend plätscherte gemütlich mit Small Talk dahin. Hanno Helmers war ein brillanter Erzähler. Und seine Erlebnisse im Showbusiness boten Unterhaltung pur. Immer mit einer überraschenden Pointe. Das Vier-Gang-Menü war ausgezeichnet und vor allem der schwere französische Rotwein ein Genuss. Unter anderen Umständen wäre es ein einzigartiger Anlass gewesen. Wenn nicht der Tod von John Lauscher wie ein Damoklesschwert über dem Abend geschwebt hätte. Beim Dessert brachte Hanno Helmers das Thema auf den Punkt.
«Eine tragische Geschichte, Herr Ferrari. Wir haben uns die ganze Zeit überlegt, wer zu solch einer Tat fähig ist.»
«Hatte John Lauscher Feinde?»
«Nicht dass ich wüsste. Was meinst du, mein Schatz?»
Ina Helmers, eine gut aussehende, elegante Frau Ende dreissig, schloss die Augen, bevor sie antwortete.
«Ich glaube nicht. Aber das weiss man ja nie. John war ein sehr sensibler Mensch. Er hat sich immer um die anderen gekümmert, war die gute Seele der Band. Einen Feind? Nein, ich glaube nicht», wiederholte Ina Helmers.
«Wie lange dauerte die Tournee?»
«Beinahe ein Jahr, Frau Kupfer. Sie war höchst erfolgreich. Ich glaube sogar, die erfolgreichste Europatournee dieses Jahres. Von Stockholm bis Istanbul verzeichneten wir volle Stadien. Praktisch alle Konzerte ausverkauft. Nur das in Barcelona lief schleppend. Weiss der Teufel, weshalb.»
«Auf solch einer Tournee kommt man sich doch sicher näher, unterhält sich über private Dinge.»
«Da müssen Sie meine Frau fragen, Herr Kommissär. Meine Mitarbeiter und ich hatten genug mit der Organisation der Konzerte zu tun. Wir sind inzwischen ein veritables Unternehmen geworden. Eine Aktiengesellschaft mit gutem Ertrag. Die Aufteilung zwischen Ina und mir ist klar geregelt. Ich bin für den reibungslosen Ablauf der Tour verantwortlich, kümmere mich um die Unterbringung der Band sowie der gesamten Crew, führe die Verhandlungen mit den lokalen Veranstaltern und Ina sorgt für das Wohl der Jungs.»
«Sie sind ziemlich pflegeleicht. Der Schwierigste von allen ist Mark. Immer wieder für ein kleines Abenteuer zu haben.»
«Und John? Wie war er?»
«Introvertiert, Herr Ferrari. Ziemlich introvertiert. Aber eine Leitfigur. Wenn er etwas sagte, hatte es nicht nur Hand und Fuss, sondern war für die anderen Jungs eine Art Gesetz.»
«Sieht das Piet auch so?»
«Da müssen Sie ihn selber fragen. Aber ich glaube schon, Frau Kupfer. Piet ist gegen aussen der uneingeschränkte Leader. Der Mädchenschwarm. Auf ihm ist der Erfolg der Band aufgebaut. Aber hinter den Kulissen zog John die Fäden. Wenn es zwischen den vieren Streit gab, schlichtete John. Er hatte einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Die anderen nannten ihn immer den Professor.»
«Professor? Weshalb Professor?»
«Er war der einzige mit Matura. Piet hat seine Lehre als kaufmännischer Angestellter zugunsten der Musik aufgegeben, Alf und Mark ihre ebenfalls. Nur John nicht. Er hat die Matura durchgezogen. Er war sehr gewissenhaft. Was er einmal angefangen hatte, wollte er auch zu Ende führen.»
«Hatte er keine Probleme damit, dass ihm Piet die Show stahl?»
«Nein. Ihm war klar, dass die Fans auf Piet abfuhren. Das hat er akzeptiert. Es war ihm wohl auch nicht so wichtig. Mehr noch, er hasste es, allzu sehr im Rampenlicht zu stehen. Jeder in der Band wusste, auf welchen Platz er gehörte. So auch John. Vielleicht das Rezept des Erfolgs.»
«Können Sie uns etwas über seine familiären Verhältnisse sagen?»
Ina schaute zu ihrem Mann.
«Viel weiss ich nicht über seinen Werdegang. Seine Eltern leben im Gundeldingerquartier. Ich habe ihnen heute Nachmittag die traurige Mitteilung überbracht, dass ihr Sohn tot ist. Sie waren äusserst gefasst. Zwei feine Menschen.»
«Wahrscheinlich müssen wir sie ebenfalls noch aufsuchen. Können Sie uns ihre Adresse geben?»
«Sie wohnen an der Pfeffingerstrasse 204. Ein altes Haus.»
Ferrari notierte sich die Adresse.
«John hat nie viel über sich erzählt. Mehr über die anderen. Wohlverstanden, nicht gelästert. Er war immer besorgt um Alf und Mark, aber in erster Linie um Piet», ergänzte Ina Helmers.
«Wieso gerade um Piet?»
«Wissen Sie, der Schein trügt.
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