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Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin McNamee
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Fußball-Hooligans. Im Norden patroullierten Motorradgangs durch die Straßen. Schwangerschaften unter Teenagern nahmen genauso zu wie Abtreibungen in Hinterhöfen. Nachrichtenfilme aus jener Zeit zeigen junge Männer in weit geschnittenen Mänteln und junge Frauen in Söckchen und fliegenden Röcken. Die Jungs hatten spitz geschliffene Kämme in den Gesäßtaschen und nähten Rasierklingen in ihre Samtkrägen. Sie sahen sich selbst als gewiefte Jünger einer heruntergekommenen Modernität. Filmaufnahmen aus jener Zeit zeigen nicht die Frische, die man erwarten würde, vermitteln nicht die Ahnung, eine alte Ordnung werde bereinigt. Man sieht die Jugendlichen auf Landungsbrücken und Strandpromenaden, auf Fußballplätzen. Das ramponierte Filmmaterial und die schlechte Synchronisation der Vorführgeräte gibt ihnen etwas Geisterhaftes.
    Es war eine Ära, in der Dinge falsch liefen, eine Ära mit einem schäbigen, gewalttätigen Sog. Die Kray-Brüder und andere Gangster trieben sich in den Nachtclubs von London herum. Unechter Glamour bestimmte die Nächte, Typen aus dem Showgeschäft mischten sich mit Typen aus der Unterwelt. Blondinen, spätere Opfer von Sexualverbrechen, sumpften mit Ronnie und Reggie Kray herum. Es war die Blütezeit für Stricher, Acidwerfer und Safeknacker.
    Freitagnacht fuhr Robert normalerweise mit dem Zug von der Station an der Edward Street nach Warrenpoint. Der Zug durchquerte das Marschland und fuhr am seichten Gezeitenwasser des Meeresarmes entlang. In der Luft hing der Geruch nach dem Diesel der Lokomotive. Blickte man auf die Bucht hinaus, konnte man auf dem Kanal das Flackern der grünen und roten Navigationslichter sehen und dahinter die erstarrte Dunkelheit der Berge und der See. Der Meeresarm war bekannt für wandernde Sandbänke und ihre heimtückische Strömung.
    In Cranfield, an der Mündung des Meeresarmes, gab es einen Campingplatz. Dorthin fuhr Agnes mit Robert übers Wochenende, wann immer sie einen Wohnwagen ausleihen konnte. Der Stellplatz befand sich auf dem Feld eines stillgelegten Militärflughafens aus dem Krieg. Unkraut wuchs durch den Beton. Nachts ließ der Wind, der vom Meer her kam, den Wohnwagen schaukeln und knarren. Robert lag wach und hörte Radio Caroline. Auf einer Sandbank an der Kanaleinfahrt stand der Leuchtturm von Haulbowline. Durch den Nebel, durch die dunklen Schwaden der offenen See waren die schweren Dieselmaschinen der Marine zu hören. Er las Artikel über die Vorzüge der Atombombe für die Menschheit. Wie die Bombe den Krieg beendet hatte.
    In den Sanddünen stand ein verwaister Sherman-Panzer. Seine Fahrspuren waren verschüttet. Sandverwehungen bedeckten die gepanzerte Karosserie. Die Aufkleber auf dem Geschützturm waren verblichen, abgeschliffen von Wind und Sand, die Bolzen der Einstiegsluke voller Rost. Das bloße Metall im Inneren war zerfressen vom Salz. Robert kletterte auf den Sessel mit dem aufgeplatzten Leder hinab. Im Verschluss des Geschützes steckte ein Dorn aus Metall. Er bediente die klobigen Griffe der Steuerung für die Geschütze, schaute durch ihren Ausguck, nahm das Ziel ins Visier. Feine Korrekturen und Drehungen am Rändelrad des Entfernungsmessers. Mit einem Mal schien die Landschaft bevölkert von Ahnungen, in den Fängen des Todes, wie eine Salztonebene, wo man Bomben testet.
    Eines Sommerabends nahm ihn der Lotse des Meeresarmes auf seinem Boot mit hinaus. Robert lauschte dem Gerede auf dem Navigationskanal, den statischen, entrückten Stimmen. Man musste in das Radio hineinkriechen, um zu verstehen, was los war, musste versuchen, die Geheimsprache der Schiffer zu entschlüsseln.
    Tagesausflügler waren am Strand. Mädchen aus Belfast und Portadown. Sie trugen Kleider mit Gürteln und weiße Söckchen. Ihre Stimmen drangen aus den Dünen hinauf. Garnspinnerinnen, Arbeiterinnen, welche die Webmaschinen bedienten. Nylon-Girls.
    Der Geruch von Plastik schien in ihre Haut eingedrungen zu sein. Ihr Atem roch nach Azeton, sie hatten einen näselnden Tonfall. Die Jungs waren begeisterte Anhänger der Kultur früher Straßengangs. Gangsterlook. Modische Haarschnitte. Umhänge. Sie hatten Rasierklingen dabei und Klappmesser.
    Agnes war begeistert von Vom Winde verweht und meinte, die langen Haare und knielangen Mäntel gäben den Gangs das Aussehen eines heruntergekommen Haufens, der auf Pferderücken von einer Plantage im Süden losgeritten sei, auf den Hund gekommener minderer Adel.
    »Wär keine schlechte Idee, sich von

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