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Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin McNamee
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du mir noch mal über den Weg, werd ich dich verdammt noch mal beerdigen, Junge«, sagte Johnston.
    Mervyn gab ihm Boxersalbe und wunderte sich über die Ausdehnung und Verfärbung der Blutergüsse.
    »Unser Johnston ist ein mieser Hund«, sagte er, »nicht einmal seine eigene Mutter hat ihn gerngehabt. Wenn du willst, kannst du Schuhe flicken, denn die Gesellschaft, mit der du dich rumtreibst, bringt dich in Johnstons Schusslinie.«
    Robert hatte keine Ahnung, wohin Will in jener Nacht verschwunden war. Als er ihn das nächste Mal sah, verhielt er sich, als wäre nichts gewesen. Er hatte bereits einen neuen Plan. Sie würden die Filiale der Northern-Bank an der Hill Street ausrauben. Er sagte Robert, sie würden sich bei den Schuppen treffen. Robert wartete auf ihn, bis es beinahe dunkel geworden war. Er warf Steine ins schwarze Wasser des Kanals und hoffte, dadurch etwas Abscheuliches aus der Tiefe aufzuwühlen.
    Will hatte Nylonstrümpfe dabei, die er in der Schublade seiner Schwester gefunden hatte.
    »Die brauchen wir als Masken.«
    »Ich überfalle keine Bank«, sagte Robert.
    Will zog sich einen der Strümpfe über den Kopf. Robert hätte ihm gern gesagt, dass er ihn wieder ausziehen soll. Wills Gesichtszüge wurden so stark zusammengedrückt, dass er aussah wie eine Missgeburt. Er zeigte Züge schwerer genetischer Schäden.
    »Probier’s«, sagte Will und hielt ihm einen Strumpf hin.
    Robert fiel Wills Schwester ein. Sie war um die zwanzig und arbeitete in der Fabrik. Er zog sich den Strumpf über den Kopf. Der Nylonstrumpf war abgetragen und ausgeleiert, roch aber immer noch nach Mädchen. Robert versuchte, sich an den Namen der Schwester zu erinnern. Sharon oder Heather. Die Dunkelheit unter dem Strumpf mit der Naht gab ihm das Gefühl, er sei in ein Geheimnis eingeweiht worden. Der Geruch war ranzig und abgestanden.
    Er stellte sich vor, wie sie die Strümpfe über ihre Beine hochrollte, wie sie ihre Glieder umspannten, er dachte an die geschickte Effizienz weiblicher Handlungen, die Sparsamkeit in Bezug auf die eigene Person.
    Will redete mit ihm über nichts anderes mehr als über den Banküberfall. Er entwarf ein Banditenleben, beschrieb Banktüren, die aufflogen, gebrauchte Verbrechersprache. Hände hoch. Aus dem Weg. Robert sah sich, wie er von einem Tatort davonraste, höhnische Worte auf den Lippen.
    »Man muss bereit sein, für einen Freund zu töten«, sagte Will, »jeder, der dich anfasst, kriegt’s mit mir zu tun. Kriegt richtig was auf die Ohren.«
    Will fragte Robert immer wieder, was er für ihn tun würde. Würde er sich von der Wut mitreißen lassen? Würde er sich für ihn eine Kugel verpassen lassen? Er sagte, dass sie Sachen teilen sollten. Sie würden Frauen teilen. Es waren ohnehin alles Schlampen und Nutten, darum spielte es sowieso keine Rolle.
    Aber die Frauen mochten Robert. Er wusste, wie er sie zum Lachen bringen konnte, Komplimente gingen ihm wie selbstverständlich über die Lippen. Es fiel ihm auf, wenn eine beim Friseur gewesen war. Sie sorgten sich um ihn, schüttelten die Köpfe und meinten, was ist bloß los mit dieser Mutter, was für ein Jammer.
    Will fiel das natürlich auf, und er sagte ihm wieder und wieder, er solle aufhören, mit den alten Schnepfen an Verkaufstheken zu reden.
    »Komm schon, du beschissener Herzensbrecher.«
    Will redete immer davon, nachts übers Feld hinter der Klosterschule zu gehen und die Girls aus dem Schlafsaal zu holen. Er wollte von Robert wissen, ob er glaube, dass alle Klosterschülerinnen lesbisch seien? Alles an ihm waren Andeutungen, hingeflüsterte Bemerkungen und ein na, was hältst du davon?
    *
    Robert beobachtete Agnes dabei, wie sie sich an ihrem Schminktisch zum Ausgehen bereit machte. Sie war halb angezogen, und er konnte ihre Unterwäsche sehen, deshalb sah er weg. Auf dem Sprung in die Bars am Hafen. Sie würde in Newry anfangen und nach Warrenpoint weiterziehen. In den Bars bei den Docks trinken, in den Hallen in Warrenpoint tanzen. Verwickelt in verstohlene Handlungen mit Männern in Uniform. Robert machte die Augen zu und konnte vor sich sehen, wie sie sich eine Zigarette anzündete. Er konnte es an ihren Kleidern erkennen, wenn sie nach Hause kam. Die strapazierten Reißverschlüsse und Haken. Der fehlende Knopf. Risse in Stoffen, Laufmaschen in Strümpfen. Ihre korrekten Linien verwischt. Sie schien auf heldenhafte Weise ruiniert, roch nach Gin und Rauch, saß auf der Bettkante, und Mascara lief ihr über die Wangen.

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