Requiem: Roman (German Edition)
Dann streichelte sie sein Gesicht und murmelte seinen Namen.
Acht
Corry Square, 2. Februar 1961
J ohnston betrat den Raum. Er hatte seinen Uniformrock ausgezogen und die Ärmel des Hemdes nach oben gekrempelt.
»Wir haben McGladderys Kumpel hergeschafft. Hat ’ne ganze Weile gedauert, um den kühnen Mister Copeland ausfindig zu machen. Treibt sich normalerweise bei Hollywood’s oder beim Gebäude der British Legion herum. Endlich haben wir ihn gekriegt. Vielleicht kriegen wir was aus ihm raus.«
»Wollen Sie dabei sein?«, fragte Speers.
Copeland befand sich in einer Arrestzelle im Erdgeschoss. McCrink öffnete die Tür einen Spalt und sah ihn sich an. Copeland ließ sich nicht anmerken, ob er sich McCrinks prüfenden Blicks bewusst war. Seine blonden Haare waren nach hinten gekämmt. Er rauchte, hielt die Zigarette zwischen den Knien. Haare, blond wie Stroh, anmaßend.
»Ich hab ihn eine Weile da sitzen lassen«, sagte Johnston, »damit er einen Eindruck von dem Ort hier kriegt.«
»Er ist nicht verhaftet«, stellte McCrink fest.
»Das weiß er aber nicht.«
McCrink folgte Speers hinein. McCrink setzte sich auf einen Holzstuhl im Hintergrund. Johnston stand an der Tür. Copeland war dünn, misstrauisch, feindselig.
»Du bist mir ein ganz Ausgekochter«, sagte Johnston.
»Ich hab noch nie was getan.«
»Wo warst du am 28. Januar nachts?«
»Beim Tanzen, wie all die anderen auch.«
»Mit McGladdery?«
»Stimmt.«
»Bist du den ganzen Tag mit Robert McGladdery zusammen gewesen?«
»Wir haben was getrunken. Danach sind wir zurück zu ihm.«
»Was habt ihr dort gemacht?«
»Ich kann mich nicht erinnern.«
»Das reicht nicht. Hat er dir irgendwas gezeigt?«
»Hab keine Erinnerung.«
»Hat er dir ’nen Vortrag gehalten über irgendwelche Bodybuilder-Geräte?«
Speers war zwar der ranghöhere Offizier, aber Johnston führte die Vernehmung, im Dunkeln gegen die Wand gelehnt.
»Er hatte dieses neumodische Ding mit Federn und Zeugs.«
»Einen Expander.«
»Genau.«
»Ist irgendwas passiert damit?«
»Ich weiß nicht mehr. Vielleicht. Hatte ganz schön was getankt. Er hat die ganze Zeit vom Bodybuilding gequatscht.«
»Wieso bist du überhaupt mit zu ihm?«, fragte Speers.
»Wir wollten uns für den Tanz umziehen.«
»Umziehen für den Tanz. Habt ihr Kleider getauscht oder was?«
»Ganz wie zwei Ladies«, sagte Johnston, »was hat er denn für Kleider angehabt?«
Johnston kam immer wieder darauf zurück, was Robert getragen hatte. Johnstons Fragen hatten eine Form: Sie waren wie eine Stahlfalle. Er kehrte zu einer Frage zurück, die einem als unwichtig erschienen war und nun plötzlich mit Bedeutung aufgeladen wurde.
»Ich weiß nicht mehr. Er hatte diese Sachen, die er sich in London besorgt hat. Modisches Zeugs.«
»Er glaubt also, er wär der große Macker mit den Sonntagsklamotten aus der großen Stadt? Macht sich an Miss Gamble ran, und sie lässt ihn abblitzen. War’s so?«, sagte Speers.
»Was hat er angehabt?«, fragte Johnston, »einen hellen Anzug?«
»Wo waren Sie die letzten zwei Tage?«, fragte McCrink.
Speers drehte sich auf seinem Stuhl, um ihn anzusehen. Er hörte, wie Johnston im Hintergrund des Raumes sein Gewicht verlagerte.
»Was?«, fragte Copeland.
»Sergeant Johnston sagt, dass Sie dort, wo Sie sich für gewöhnlich rumtreiben, nicht zu finden waren. Hat das Gebäude der British Legion erwähnt.«
»Na und?«
»Spuck hier keine großen Töne«, sagte Johnston mit sanfter Stimme, »wir können’s nicht ab, wenn Typen, die bei uns zu Besuch sind, zu Beamten frech sind.«
»Ist doch eine simple Frage. Wo waren Sie?«
»Da und dort. Bei Muttern. Spazieren mit den Hunden. Oben beim Leichenschauhaus, um zuzusehen, wie sie Pearl nach Hause bringen.«
Copeland hob zum ersten Mal den Kopf und schaute McCrink ins Gesicht. Seine Augen waren blass und farblos. Die Augen eines Reisenden, der durch die Hölle fährt. Ich weiß, auf was für einer Reise du die letzten Tage warst, dachte McCrink, und ich weiß auch, welch traurige Route sich dabei ergeben hat.
»Wir hören auf für heute«, sagte Speers.
Sie gingen aus der Zelle. Als sie das Ende des Korridors erreichten, blickte McCrink zurück. Er sah, wie Johnston wieder in der Zelle verschwand.
*
Als McCrink am nächsten Morgen auf die Wache am Corry Square kam, waren überall Männer. Er fand Speers in seinem Büro.
»Was ist denn hier los?«
»Anweisung von Kennedy. Wir sollen McGladdery mit einer
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