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Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin McNamee
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unweigerlich auftauchten, wenn man sich mit dem Fall Curran befasste. Wieder ein Detail. Broadmoor ließ einen an Wind denken, der aus dem trostlosen Moor hinunterheult, an ein Gebäude, das drohend aus dem Nebel aufragt. Eine Anhäufung von Masse. Als wäre die Anstalt ein Ort, an dem die Kranken in eine andere Sphäre gehoben wurden. Ein Ort, an dem man sie dem Schöpfer nahe wähnte, mit kurzen blind machenden Einsichten.
    Doris Currans Zimmer grenzte an einen kleinen, fensterlosen Korridor. Hume schloss den Korridor auf, und sie betraten eine tiefe, von Medikamenten herrührende Stille.
    »Vielleicht redet Mrs Curran mit Ihnen, vielleicht nicht. Ihre Krankheit wird von einer Kombination aus Drogen und Psychopharmaka in Schach gehalten, aber sie hat klare Momente. Sie hat ihre guten und schlechten Tage.«
    »Psychopharmaka? Hatte Mrs Curran nicht so was wie einen Zusammenbruch?«
    »Mrs Curran leidet an paranoider Schizophrenie. Manchmal glaubt sie, jemand anders zu sein. Eine historische Figur aus der Vergangenheit. Es gibt bestimmte historische Persönlichkeiten, auf die der Verstand der Verrückten sich gern einlässt – die Zarin, Amelia Earhart, solche Leute.«
    Doris saß alleine neben einem Eisenbett. Sie trug eine Brille und einen Schlafrock. Das Zimmer war karg. McCrink fiel ein Raum ein, in dem man Buße tat.
    »Ich habe einen Besucher mitgebracht«, sagte Hume, »Mr McCrink. Mr McCrink ist Inspector Ihrer Majestät.«
    Doris Curran wirkte zerbrechlich. Ihre Bewegungen waren behutsam. Als müsse sie mit ihren Kräften haushalten. McCrink hatte gedacht, er sei vorbereitet auf die Begegnung mit dem Wahnsinn, auf Durchtriebenheit und wahnhafte Störungen, unterbrochen von Ausbrüchen von Hochmut und Zorn. Doch Doris sah aus, als sei sie gerade eben aus einem freundlichen Traum herausgerissen worden. Ihre Hände bewegten sich unermüdlich auf dem Bettüberwurf. Ihr Blick sprang durch den Raum, vom Kontrollfensterchen in der Tür zum Tisch, der am Boden festgeschraubt war. Es gab keine scharfen Gegenstände in dem Zimmer, jedes Möbelstück war fest verschraubt. Sie trug Hausschuhe, der Gürtel ihres Schlafrockes war entfernt worden.
    »Mr McCrink, es ist sehr gut von Ihnen, dass Sie gekommen sind. Nehmen Sie bitte Platz.«
    Doris wirkte besorgt und unkompliziert. Sie sah sich beunruhigt um, und McCrink wünschte sich, es gäbe eine einfache Haushaltsarbeit, die man ihr geben könnte. Er setzte sich auf die Bettkante.
    »Ich habe im Radio von dem Mädchen gehört«, sagte sie, »wie war doch gleich ihr Name?«
    »Pearl Gamble«, sagte McCrink.
    »Ihre armen Eltern. Wie alt war sie?«
    »Neunzehn, Mrs Curran. Pearl war neunzehn.«
    »Neunzehnjährige Mädchen sind halsstarrig, finden Sie nicht?«
    »Der Angeklagte ist verhaftet worden.«
    »Ach ja? Lance wird die Verhandlung übernehmen.«
    »Glauben Sie?«
    »Ja. Er wird es so wollen. Und mein Ehemann bekommt immer, was er will.«
    Ihre Stimme war eintönig. Es war einfach, zu sehen, dass Doris ihrer Rolle nicht gerecht wurde. Mord und Irrsinn hatten sie ihr Leben lang verfolgt. McCrink fand, dass mehr dazugehörte. Sie müsste vor- und zurückschaukeln. Es müsste geisterhafte Stimmen geben, die verstörende Botschaften verkündeten.
    »Warum sollte er die Verhandlung übernehmen wollen?«
    »Wegen Patricia. Er hatte sich gewünscht, jemand wäre für Patricia gehängt worden. Desmond wird es erfahren wollen. Haben Sie meinen Sohn Desmond kennengelernt?«
    »Nein, habe ich nicht.«
    »Er ist römisch-katholisch geworden, wissen Sie.«
    McCrink wusste, dass Desmond nach dem Mord der katholischen Kirche beigetreten und Priester geworden war. Er war einem Missionsorden beigetreten und nach Südafrika geschickt worden. Mein Sohn ein Priester des Papstes, meine Frau eingeliefert in eine Irrenanstalt und meine Tochter seit neun Jahren im Grab.
    Doris redete über die frühen Jahre ihrer Ehe. In diesen frühen Tagen hatten Doris und Lance mit dem Lord Chief Justice und seiner Frau Bridge gespielt. Doris hatte Tee in Minton-Porzellan serviert. Man sprach über Ferien mit dem Auto in Schottland, bewunderte neue Automodelle. Der Richter redete von der Idee, hinter dem Haus einen Tennisplatz zu bauen. »Leben in kultiviertem Luxus« war eine Formulierung, die Doris gefiel.
    »Wissen Sie, wer ich bin?«, fragte Doris.
    »Natürlich, Mrs Curran.«
    »Ja«, sagte sie, »aber wissen Sie, wer ich wirklich bin? Ich bin ziemlich berühmt, müssen Sie wissen.«
    McCrink

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