Requiem: Roman (German Edition)
des Belfast Telegraph und auf den Seiten der nationalen Presse erschienen Berichte über die Pressekonferenz. Man kann sich den Bericht im Zeitungsarchiv der Zentralbibliothek in Belfast heute noch ansehen. Das frühere Archiv ist auf Mikrofilme kopiert. Das Gerät, mit dem man sich die Mikrofilme ansieht, wirkt antiquiert. Das Plastikgehäuse ist mit Fingerabdrücken übersät, die Bedienungselemente sind schlecht proportioniert. Es braucht Fingerspitzengefühl, um den Mechanismus zu bedienen, die Bilder rasen hastig an einem vorbei, immer in Gefahr, auszufädeln. Die Zeitungsseiten sind von oben aufgenommen worden, schlecht beleuchtet und deswegen gelegentlich nicht zu entziffern.
Man kann auch auf das Originalarchiv zurückgreifen, das sich in einem Hinterzimmer befindet. Die gebundenen Bände der alten Ausgaben wirken Respekt einflößend. Das Papier ist gelb und zerknittert, die Seiten sind teilweise zerrissen. Es gibt Wasserflecken und verschimmelte Stellen. Die archivierten Zeitungen haben eine Authentizität, die den Mikrofilmen fehlt. In Stenografie aufgenommen und schmalspaltig gedruckt, scheinen die Berichte durch das Alter des Papiers und die verschnörkelten Schriften beglaubigt.
Die Fotografien der Pressekonferenz sind verwischt, unscharf und grobkörnig. McCrink trägt eine Brille mit einem schweren schwarzen Gestell. Er hat eine Zigarette in der rechten Hand, in der anderen hält er ein DIN-A4-Papier. Mit der Brille sieht er aus wie ein Wissenschaftler, ein Physiker im weißen Mantel. Er beantwortet eine Frage der Presse und wirkt abwesend wie ein Geheimwissenschaftler. Speers steht hinter ihm und sieht bleich aus, krank. Johnston sitzt zwischen den Reportern, trägt eine sportliche Lederjacke und hat einen Gesichtsausdruck, als verstehe er keinen Spaß. Ohne Uniform sieht er aus wie ein Mitglied der Fliegenden Truppe, einer berüchtigten Polizeieinheit, der man Brutalität und Korruption nachsagt.
Der Bericht hat die Schlagzeile »Inspector of Constabulary McCrink und Detective Inspector Speers bitten um Ihre Mithilfe!«. Der Bericht führt weiter aus, dass sie »nach einem Kleidungsstück suchen, das ihnen bei ihren Ermittlungen dienlich sein könnte«. Sie bitten um die Mithilfe der Bevölkerung, die gebeten wird, die »Augen offen zu halten«.
Chief Constable Kennedy sitzt rechts von McCrink und Speers. Vertreter der Londoner Presse befragten Kennedy nach der Todesstrafe und ob er sie befürworte. Kennedy antwortete, er sei Staatsdiener und in dieser Funktion dazu da, das amtierende Recht zu vertreten. Die Gesetzgebung sei Sache des Parlaments. Allerdings wünschte er sich, die Straßen wären befreit von gewalttätigen Sexualstraftätern.
»Er hätte genauso gut sagen können: ›Knüpft McGladdery auf und geht zum Teufel‹. Er hat den Journalisten ja schon fast vielsagend zugezwinkert, als er uns allen von seinem schönen Wunsch erzählt hat, die Straßen von gewalttätigen Sexualtätern befreit zu sehen«, sagte Johnston, »die schreiben sich jetzt die Finger über uns wund.«
»Und das mit dem Kleidungsstück war auch eine Meisterleistung«, sagte Speers, »die werden uns mit dem Inhalt ihrer Wäschekörbe eindecken. Wir kriegen jeden Fetzen Stoff, den sie in irgendeinem Graben finden.«
»Sie haben die Leute jetzt schon wochenlang wegen McGladderys Anzug befragt. Das ganze Land weiß, nach welchem Kleidungsstück wir suchen«, sagte McCrink.
Die Journalisten aus London standen Schlange in der Eingangshalle, um ihre Berichte am Telefon durchzugeben. Der eine oder andere nickte McCrink zu. Len Barrett vom Express unterhielt sich mit Kennedy und rief McCrink zu sich. Barrett trug Anzug und Hut. McCrink war ihm vor den Londoner Nackt-Morden in der Bow Street und im Old Bailey über den Weg gelaufen. Barrett war im Gefolge von den Kray-Zwillingen und von Jack McVitie im Black Cat und im Top Hat gesehen worden. Er streute Ausdrücke in seine Sätze, die er für Gauner-slang aus dem Westend hielt, redete über Raubüberfälle und geknackte Safes. McCrink erinnerte sich daran, dass Barrett nach Dukes Meadow geschickt worden war, um über den Mord an Elizabeth Figgs zu berichten, und sich übergeben hatte, als er ihre Leiche sah, nackt bis zur Hüfte, die sie alle mit offenen Augen anstarrte, kalt, hexenhaft.
»Du bist hier nicht in deinem Element«, sagte McCrink.
»Der Ressortleiter sieht in der Geschichte einen Mord mit Todesurteil. Widerwärtiger Sexualmord an einer unschuldigen
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