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Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin McNamee
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die besseren Chancen auf eine faire Verhandlung, wenn ich den Fall selber übernehme.«
    »Darum übernehmen Sie den Fall. Um McGladdery eine faire Verhandlung zu garantieren.«
    Du musst wirklich glauben, ich sei von gestern, dachte Ferguson. Graupelschauer, vom Norden heruntergeweht, prasselten auf die Oberlichter über ihren Köpfen, als begehre ein durchgedrehtes Wesen, eingelassen zu werden. Sie schauten beide nach oben.
    »Es ist Winter«, sagte der Richter.
    »Das kann man wohl sagen.«
    »In den Herzen der Männer herrscht eine Kälte, die sich nicht aus der Welt schaffen lässt, ob ich ein Urteil verhänge oder nicht. Recht mit Gerechtigkeit gleichzusetzen ist ein Fehler. Eine faire Rechtsprechung ist ein Nebenprodukt unserer Justiz, nicht ihr Sinn und Zweck.«
    Ferguson dachte an zwei neunzehnjährige Mädchen, die umgebracht und im Freien liegen gelassen worden waren, und fragte sich, ob sie auch ein Nebenprodukt waren.
    »Sollen wir gehen?«, fragte der Richter, »ich spüre, dass das Glück heute Nacht auf meiner Seite ist.«
    Er erhob sich, um zu gehen. Die Regenschauer hämmerten beharrlich auf das Oberlicht über ihnen. Ferguson blieb noch einen Augenblick sitzen, den Blick auf die Fenster und die dahinter liegende Winternacht gerichtet, ohne etwas zu sehen.
    *
    Sechsunddreißig Stunden nach dem Aufruf, die Suche nach einem Kleidungsstück zu unterstützen, wurde ein Brief im Corry Square abgegeben. Das anonyme Schreiben war an McCrink adressiert und mit Schreibmaschine auf ein einzelnes DIN-A4-Blatt getippt worden. Es wies die Ermittler an, eine Sickergrube etwa zweihundert Meter hinter McGladderys Haus zu durchsuchen.
    In den Wochen nach dem Mord hatte die Polizei Dutzende von anonymen Briefen erhalten. Einige beriefen sich auf Gottes Urteil, das Pearl getroffen habe. Andere wiesen auf das verdächtige Verhalten verschiedener Männer aus der Gegend hin. Das Ufer des Kanals und die öffentlichen Toiletten in der Fußgängerzone wurden als Treffpunkte für Homosexuelle gemeldet. Diese Art von Korrespondenz war offensichtlich ein unumgänglicher Bestandteil bei Mordermittlungen. Sie erinnerten die Ermittler daran, dass ihre Untersuchungen in einem größeren Zusammenhang standen. Sie sollten die psychische Beschaffenheit der Stadt kennenlernen. Erscheinungen wurden gemeldet, Geisterwelten beschworen. Sie bekamen Artikel zugestellt, die aus der lokalen Presse ausgeschnitten worden waren, einzelne Wörter waren mit Kugelschreiber eingekreist.
    Speers las den Brief zuerst. Auf die Wegbeschreibung war Sorgfalt verwendet worden. Der Schreiber hatte sich offenbar die Mühe gemacht, die erwähnten Distanzen auszumessen oder zumindest abzuschreiten. Anders als in anderen Zuschriften war der Schreibstil schnörkellos. Speers untersuchte das Buchstabenbild mit einem Vergrößerungsglas, um Beschädigungen der Typenhebel zu finden und die Schreibmaschine dadurch identifizieren zu können. Unter dem Vergrößerungsglas wirkte jeder Buchstabe gigantisch und defekt. McCrink sah einen spärlich möblierten Raum vor sich, eine Schreibmaschine auf einem leeren Tisch, eine Remington, grau wie das Metall einer Pistole.
    »Dem hier sollten wir nachgehen«, sagte Speers, »an dem ist eindeutig was dran.«
    »Stell ein paar Uniformierte hier aus der Gegend zusammen. Wir sehen uns die Sache morgen früh als erstes an.«
    Speers war begeistert von dem Brief. Der Text hatte eine Sparsamkeit, die ihm gefiel. Als nehme der Schreiber Fäden einer Geschichte auf, um Themen daraus zu entwickeln. Es war möglich, dass sie Fortschritte machten. McCrink war sich weniger sicher. Der Briefschreiber handelte nicht aus bürgerlichem Pflichtbewusstsein. Ihm sagte die Furcht der anderen anonymen Briefeschreiber und ihre Ahnung, unsichtbare Kräfte seien am Werk, mehr zu.
    Sie verließen Corry Square am 24. in der Morgendämmerung. Johnston hatte Mitglieder der Special Constabulary einberufen. Ihm gefiel das dramatische Element daran, die Andeutung eines repressiven Staatsapparates, uniformierte Polizisten, die in der Kälte der Morgendämmerung in nicht gekennzeichnete Lieferwagen kletterten. Das ließ einen an eingetretene Haustüren denken, an Stiefel auf Haustreppen.
    Sie fuhren im Konvoi zur Belfast Road und parkten auf der Standspur. Techniker aus dem Labor in Belfast entluden ihre rudimentäre forensische Ausrüstung. Sie verteilten sich über die Felder und fanden die Sickergrube innerhalb weniger Minuten. Die Techniker untersuchten

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