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Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin McNamee
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den Kolben in der Hand spürte, das Zischen des Ventils hörte und der Inhalt des Glases aufschäumte.
    »Ich habe nicht gewusst, dass Gordon freigelassen wurde«, sagte Ferguson.
    »Freigelassen, mit einem neuen Namen versehen und in eine erbärmliche Mietskaserne in Glasgow verfrachtet.«
    »Das scheint mir angesichts dessen, was er getan hat, nicht richtig zu sein.«
    »Nein«, sagte der Richter, »angesichts dessen, was er getan hat. Wenn Patricia noch am Leben wäre, wäre sie jetzt achtundzwanzig Jahre alt. Würden Sie auf die Wahrscheinlichkeit von Gordons Schuld wetten, Ferguson?«
    Ferguson blickte in seinen Drink. Wer wettete auf den Tod seines eigenen Kindes? Was wäre der Einsatz bei dieser Wette? Wer würde dafür zahlen müssen?
    »Ich halte es für keine gute Entscheidung«, sagte Ferguson, doch der Richter ignorierte ihn.
    »Ich würde vielleicht auf acht zu eins setzen. Höher nicht.«
    »Das ist nicht recht, Judge.«
    »Und wenn die Wettquoten gegen den verurteilten Mann so hoch stehen, wie hoch sind sie dann gegen andere, Mr Ferguson? Glauben Sie etwa, ich weiß nicht, was in der Anwaltskammer gemunkelt wird? Mein Sohn ein Priester des Papstes, meine Frau eingeliefert in eine Irrenanstalt und meine Tochter seit neun Jahren im Grab. Und Sie verwenden das Wort ›recht‹, Ferguson!«
    Ferguson war sich des Verkehrs bewusst, der draußen im Regen auf der Promenade herrschte. Aus der Bar in der Lounge war Lachen zu hören. Er fragte sich, was ihn bloß hierhergeführt hatte. Er betrachtete die Gesichter in der Lounge. Schlaue Männer in dunklen Anzügen, die sich einander zuneigten. Bestimmt erzählten sie sich Anekdoten aus dem Gericht. Als Richter Curran noch Kronanwalt gewesen war, war Ferguson abends oft wegen Angelegenheiten, die den Wahldis- trikt betrafen, in der Anwaltskammer gewesen. Die Kronanwälte, die die Gerichtsfälle des nächsten Tages vorbereiteten und die schweren Bände mit den Präzedenzfällen zusammenstellten. The All England Law Reports. The Criminal Law Review. Die Neonröhren waren ausgeschaltet gewesen, die Bibliothek einzig beleuchtet durch die Tischlampen, die da und dort brannten. Es wurde gemurmelt. Männer bewegten sich im Dämmerlicht der Andacht durch die Schatten. Man dachte an Gegenstände, die von Generation zu Generation weitergereicht wurden. Die Beleuchtung beschwor den Eindruck, die Bücher würden heilig gehalten. Die Bücher der Justiz.
    Curran war Fergusons Blick gefolgt.
    »Verschwenden Sie an die nicht Ihr Talent. Das sind bloß die korrupten Diener einer korrupten irischen Provinz. Keiner von denen war Manns genug, Gordon zu verteidigen. Die sind verbandelt durch Familie, Schule und Beruf. Die haben seine Verteidigung einem Stipendiaten zugeschoben.«
    »Sie wollten Sie nicht beleidigen. Sie oder ihre Kanzlei.«
    »Diese Gerüchte hab ich auch gehört. Ich weiß, dass Gordon seine Verteidigung gewechselt hat. Ich weiß, dass er im privaten Kreis seine Schuld gestanden hat und dass ihn die ursprünglichen Verteidiger auf dieser Basis nicht länger vertreten konnten.«
    »Es wäre von ihnen unrecht gewesen, weiterhin seine Unschuld zu beteuern, wenn sie von seiner Schuld wussten.«
    »Genau. Aber was, wenn das gar nicht der Fall war? Was, wenn dieses Geständnis gar nicht stattgefunden hat? Was, wenn diese ganze Geschichte bloß erfunden wurde, um die Tatsache zu verheimlichen, dass sie zu feige waren, ihren Vorgesetzten zu verärgern? Was, wenn sich jemand die Geschichte kühl überlegt ausgedacht hat, nur um sich zu schützen?«
    Man erzählt sich auch, dass deine Tochter nicht an der Stelle gestorben ist, wo man sie gefunden hat. Dass sie im Haus umgebracht und ihre Leiche auf die Zufahrt geschafft wurde. Siebenunddreißig Stichwunden. Und trotzdem fand man auf dem Boden in ihrer Nähe kein Blut.
    »Was wollen Sie mir damit sagen?«
    »Ich will damit sagen – deren Blut ist von Zynismus verdorben, Ferguson. Wenn ich den Fall McGladdery nicht übernehme, würde es dann einer von denen machen? Was glauben Sie? Einer von denen würde doch den Fall als Richter übernehmen, oder?«
    »Es müsste schon ein Einheimischer sein, stimmt.«
    »Und sie würden McGladdery hängen, nur um mir eine Freude zu machen, nicht wahr? Ihrem Vorgesetzten, dessen eigene Tochter ermordet worden ist. Sie wären fähig, Rache für mich zu nehmen, jetzt, da Gordon dem Galgen entkommen ist, stimmt’s?«
    »Das wäre ihnen zuzutrauen.«
    »Also gebe ich McGladdery wahrscheinlich

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