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Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin McNamee
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Männern vor dem Arbeitsamt an der Bridge Street. Brown listete die Orte auf, die Copeland normalerweise frequentierte, und ließ damit die Geschworenen wissen, mit wem sie es hier zu tun hatten, mit einer ziellosen, von Misstrauen und mangelndem Selbstvertrauen geprägten Existenz zwischen Billardhallen und heruntergekommenen Bars in einer heruntergewirtschafteten Provinzstadt. In den ersten achtundvierzig Stunden nach dem Mord war Copeland an keinem dieser trostlosen Orte gesehen worden.
    Als der Generalstaatsanwalt mit den Geschworenen rechtliche Fragen klärte, geriet das Verfahren ins Stocken. Die Wände des Gerichtssaals waren gekalkt, die Oktobersonne schien durch die Fenster, die sich hoch oben in der Wand über dem öffentlichen Rang befanden. Staub schwebte durch die Luft. Robert lehnte sich zu seinem Anwalt hinüber und flüsterte: »Fast wie High Noon hier drin.«
    In ruhigen Phasen des Prozesses oder wenn er darauf wartete, ins Gefängnis an der Crumlin Road zurückgebracht zu werden, las Robert Krimis. Er tauschte Bücher mit Brown, dem Western gefielen und der zu verstehen schien, dass man sich mitunter von der Realität entfernen musste, um durch schwere Zeiten zu kommen, und Robert zunickte, um zu zeigen, dass er ihm darin zustimmte.
    Robert war ein Fan von Westernfilmen und redete sich ein, aus ihnen etwas für das Verfahren lernen zu können. Er sah sich selbst als staubbedeckten Einzelgänger, als Fatalisten mit Schlapphut, der ein schlechtes Ende voraussehen konnte. Einer, der Angelegenheiten in einem aus Brettern gebauten Gericht am Rand der Stadt zu Ende brachte. Angesichts der Städter, aus der die Geschworenenjury zusammengesetzt war, wollte Robert den Anschein ruppiger Tapferkeit erwecken. Er wusste, was es brauchte, um die Jury, die aus Ladeninhabern und Kneipenbesitzern bestand, zu beeindrucken. Sie waren pragmatisch und ungerührt und hatten nur begrenzt Zeit für seinen Westernverschnitt.
    Der letzte Zeuge der Anklage war der Pathologe, der die Verbindung zwischen der Form der Schusterfeile und den Wunden auf Pearls Leiche hergestellt hatte. Er hatte auch das Exemplar von The Long Wait untersucht, dessen Umschlag ähnliche Einstiche aufwies. Der Pathologe wies auf die Form der Feile hin und brachte sie in Zusammenhang mit der ungewöhnlichen Form der Wunden auf Pearls Leiche.
    Der Wissenschaftler beschrieb die Form der Schusterfeile und die sternförmigen Einstiche, die sie verursachte. Er hielt das Buch in seiner rechten und die Feile in seiner linken Hand, als würde er beides gegeneinander abwägen. Er wies auf die Haspel der Feile hin, auf ihre Hebelwirkung. Der Pathologe beeindruckte die Geschworenen, indem er ihnen die Qualität des Werkzeuges zeigte und durch seine Art, die Ausdrücke der Handwerker zu gebrauchen.
    In späteren Jahren würde der Pathologe von »Durchbruch« reden, als darauf hingewiesen wurde, dass die Wunden an Pearls Leiche von derselben Größe und Form waren wie die Einstiche auf dem Buch. Man bekam den Eindruck, dass den Einstichen auf dem Buch mehr Gewicht beigemessen wurde als den Stichwunden an dem Körper. Es gelang der Anklage, Robert zu unterstellen, dass er seine Stichtechnik zu Hause an dem Buch geübt hatte, was bedeutete, dass er vorsätzlich gehandelt hatte. Vor allem aber schien es, dass Roberts Geschichte in den Köpfen der Geschworenen und der Öffentlichkeit mit dem auf dem Buchumschlag abgebildeten gejagten Paar verschmolzen war, das treulose Mädchen und der um die Freiheit ringende Mann, gefangen in einer misslichen Lage, in die sie sich selbst gebracht haben.
    »So viel zur Blutsbrüderschaft«, sagte Hughes, als Robert in dieser Nacht in die Zelle zurückgebracht wurde, »Copeland hat dich für Seine Lordschaft gestopft wie einen Truthahn.«
    »Man hat ihn einer Gehirnwäsche unterzogen«, sagte Robert, »die hocken in seinem Kopf drin. Er war gar nicht er selbst.«
    Robert hatte über solche Dinge gelesen. Es gab Implantate, die sie in den Kopf einpflanzten, damit sie durch ein Funksignal mit einem machen konnten, was sie wollten. Die Art, wie man dann redete, verriet einen. Monotone, roboterhafte Stimmen. Er hatte über die Chinesen in Korea gelesen. Häftlinge, deren Stimmen nachts über blecherne Lautsprecher übertragen wurden.
    »Man musste ihm doch bloß zuhören«, sagte Robert, »aber ich kümmere mich sowieso nicht um die.«
    »Und warum nicht?«
    »Am Montag bin ich dran. Dann kriegen sie die ganze Geschichte serviert. Auf einem

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