Requiem
Friede-Freude-Eierkuchen-Mentalität aufbrach. Gloria Gaynor begann I will survive zu singen, und Beaufort brachte sie zum Schweigen, indem er sein Handy aufklappte.
»Ich habe den Job!«, rief Anne euphorisch.
»Super. Ich freue mich für dich und gratuliere dir von Herzen.«
»Der Studioleiter hat mich gerade angerufen. Er will sogar nächste Woche eine Pressekonferenz geben, um es bekannt zu machen.«
»Toll, die hängen das ja richtig hoch. War das Rennen eng?«
»Weiß ich nicht. Hauptsache, ich hab das Casting-Gremium überzeugt.«
»Ich habe nie daran gezweifelt, dass du es schaffst. Ganz große Klasse, wirklich.« Beaufort meinte sein Lob ernst. Er freute sich mit Anne in diesem Moment und war richtig stolz auf seine Freundin. »Wann kann ich dich denn das erste Mal im Fernsehen bewundern?«
»Am 5. Juni um 23 Uhr bei Sport in Bayern«, kam es wie aus der Pistole geschossen.
»Wirst du mich überhaupt noch beachten, wenn du ein Fernsehstar bist?«
Anne lachte aufgekratzt. »Da musst du dich halt ein bisschen anstrengen, wenn mir die Männer dutzendweise zu Füßen liegen. Aber ich verspreche dir: Du bekommst meine erste Autogrammkarte.«
»Das habe ich mir schon immer gewünscht. Ich werde sie neben meinem Goethe-Brief aufbewahren«, entgegnete Beaufort trocken.
»Jetzt aber mal ernsthaft. Ich werde jeden zweiten Sonntagabend eine Viertelstunde lang eine regionale Sportsendung im Bayerischen Fernsehen moderieren. Das ist echt toll, und ich freu’ mich drauf, aber berühmt wird man dadurch kaum. Da müsste es schon die Sportschau sein oder Das Aktuelle Sportstudio .«
»Das kann ja noch werden bei deinem Talent.«
»Und?«, fragte Anne gespielt streng.
»Und bei deinem Ehrgeiz.«
»Und?«
»Bei deiner Beredsamkeit und deinem Superaussehen. Jetzt langt es aber.« Er schlängelte sich an einer Touristengruppe vorbei, die den Gehsteig vor dem Eingang zum Stadtmuseum Fembohaus blockierte.
»Vielen Dank für die Blumen. Aber ich muss erst einmal schauen, ob mir Fernsehen so viel Spaß macht wie Radio. Von meinen Rundfunkjobs werde ich fürs erste jedenfalls keinen aufgeben.«
»Und wie nimmt deine Kollegin Ina es auf?«
»Keine Ahnung. Wahrscheinlich weiß sie es noch gar nicht. Ich muss mir noch überlegen, wie ich meinen Triumph am besten auskoste.«
»Sei lieb und treib es nicht zu arg. Stell dir vor, wie du dich fühlen würdest, wenn es umgekehrt ausgegangen wäre. Auf Inas Freudentänze wärst du dann bestimmt auch nicht scharf.«
»Okay, du hast ja recht. Ich werde brav sein und auf die Hälfte meiner Häme verzichten.«
»Anne!«
»Ganz ruhig, Süßer, war nur Spaß.« Sie lachte und jauchzte dann ins Telefon: »Ach, ich könnte die Welt umarmen!«
Beaufort zuckte zusammen und brachte den Hörer auf etwas mehr Abstand zu seinem Ohr. »Wenn du vielleicht bei mir damit anfangen könntest.« Er passierte die Sebalduskirche und steuerte aufs Bratwursthäusle zu. »Auf alle Fälle muss das gefeiert werden. Möchtest du eine Party oder ein erlesenes Essen zu zweit? Du darfst dir wünschen, was du willst.«
»Es ist gefährlich, einer anspruchsvollen Frau Carte blanche zu geben«, gurrte Annes Altstimme.
»Du wirst sie schon nicht überstrapazieren. Und ich bin durchaus bereit, ein telegenes Schmuckstück oder einen kameragerechten Dress zu spendieren«, kehrte Beaufort den Gentleman hervor. Er betrat das Restaurant, hielt die Hand vor den Hörer und sagte zu der Bedienung: »Drei im Weckla, bitte.«
»Du bist wirklich großzügig, aber ich wünsche mir von dir etwas Immaterielles.«
»Wenn du nicht wie die schöne Salome darauf bestehst, dass Johannes der Täufer einen Kopf kleiner werden soll, könnte vielleicht was draus werden.« Beaufort zahlte und erhielt eine Semmel, in die drei auf Buchenholz gegrillte Nürnberger Würstchen gebettet waren. Er klappte sie auf und schaufelte sich Senf darauf.
»Einen kleinen Schleiertanz würde ich dir schon hinlegen, wenn du mir meinen Wunsch erfüllst.«
»Dann mal raus mit der Sprache. Was ist es?«
»Nein, erst versprechen!«, bettelte Anne.
»Also gut, ich verspreche es dir.« Beaufort war wieder aus dem Restaurant hinausgegangen und biss genüsslich ins Brötchen.
»Danke, du bist ein Goldschatz!«, jubelte sie. »Dann kommst du morgen Abend also mit ins Frankenstadion zum Club-Heimspiel?«
Beaufort verschluckte sich, bekam einen Hustenanfall und kleckerte Senf auf sein Sakko.
»Frank? Du brauchst mir nicht vorzuspielen, dass du
Weitere Kostenlose Bücher