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Requiem

Requiem

Titel: Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kruse
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wie sich die schwere Eisentür in die Kongresshalle öffnete und er ins Dunkel hineintappte. Der Mörder musste hinter der Tür auf ihn gelauert haben. Dann hatte er ihn gepackt und mit seinen K.o.-Tropfen betäubt. So musste es gewesen sein, denn Beaufort spürte eine leichte Übelkeit. Und er hatte noch diesen ätherischen Geruch von dem feuchten Tuch in der Nase, das ihm ins Gesicht gepresst worden war. Warum war er nur so hirnverbrannt gewesen, dort allein hineinzugehen? Er hätte doch auf dem Volksfest ein paar Männer um Verstärkung bitten können. Doch er hatte einen richtigen Tunnelblick gehabt. Sein einziges Ziel war es gewesen, den Täter nicht entkommen zu lassen.
    Wieder klapperten seine Zähne aufeinander. Beaufort fror erbärmlich. Es herrschte eine Grabeskälte in diesem Verlies, und er konnte keines seiner Glieder rühren. Er lag auf dem Rücken, spannte seine Muskeln an und versuchte Arme und Beine anzuziehen. Zwecklos. Er war so fest an seine Unterlage gefesselt, dass er seine Extremitäten kaum ein paar Millimeter zu bewegen vermochte. Nur seinen Kopf konnte er drehen und auch ein wenig anheben, ehe er ihn wieder zurücksinken ließ. Oh, er hatte sogar ein Kissen. Wenigstens diesen Komfort gönnte der Mörder ihm.
    »Hallo?« Seine Stimme klang rau und kam ihm fremd vor. »Haalloo!«, versuchte er es lauter. »Haaaaallooooo!!!«, schrie er aus vollem Hals. Es gab einen Hall. So klein war der Raum nicht, in dem er gefangen gehalten wurde. Wahrscheinlich lag er in einem dieser fensterlosen, unverputzten Lagerräume im Kongresshallen-Torso, von denen es hunderte geben musste. Hier konnte er schreien, bis er keine Stimme mehr hatte. Die Mauern waren meterdick. Niemand würde ihn hören. Trotzdem brüllte er einige Male, so laut er konnte, um Hilfe. Keine Reaktion. Das hatte er ja erwartet. Enttäuscht war Beaufort trotzdem. Dann ließ er lautstark eine Reihe ziemlich übler Flüche auf den Mörder los. Er wollte wissen, ob der vielleicht irgendwo in der Nähe war und wütend hereinstürmte. Aber er war allein. Ganz allein.
    Worauf lag er eigentlich? Er tastete mit seinen Fingerspitzen. Es fühlte sich hart und kalt an. So eine Art Pritsche. Oder eine Kommode. Wenn er nur irgendetwas zu fassen bekäme, mit dem er seine Fesseln durchschneiden oder aufreiben könnte. Vielleicht ließ sich seine Liegestatt von der Wand wegbewegen, wenn er mit seinem ganzen Körper ruckelte. Das war sehr schwer bei den engen Fesseln, er versuchte es trotzdem. Doch schon bald hielt er erschöpft inne. Er hatte nicht das Gefühl, als habe er sich mit seiner Unterlage im Raum bewegt. Wahrscheinlich war sie an der Wand befestigt. Wenigstens war ihm etwas wärmer dabei geworden, das Zähneklappern hatte aufgehört. Hoffentlich wurde das nicht seine Bahre. Er dachte mit Grausen daran, dass hier schon Sebastian Kunz, Heinrich Gessner und Richter Schmidt gelegen haben mussten. Und vermutlich auch gestorben waren. Würde er der Nächste sein? Beaufort schluckte. Er durfte nicht zulassen, dass das hier sein Grab wurde. Jetzt nur nicht verzweifeln. Denk nach, wie du dir helfen kannst, feuerte er sich an. Denk nach!
    Wenn er sich selbst nicht aus seinen Fesseln befreien konnte, um mit dem Mörder zu kämpfen, falls der zurückkam, durfte er dann auf Hilfe von außen hoffen? Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass man ihn fand? Wenn man überhaupt nach ihm suchte. Das setzte ja voraus, dass er vermisst wurde. Aber Anne hatte bestimmt etwas unternommen in all den langen Stunden. Obwohl … Wie lange lag er hier eigentlich schon? Er hatte völlig die Orientierung verloren. Es war gar nicht gesagt, dass draußen schon wieder Tag war. Das war sogar eher unwahrscheinlich. So ein Betäubungsmittel konnte einen doch höchstens für ein paar Stunden ausknocken. Gut möglich, dass das Fußballspiel erst vor kurzem zu Ende gegangen war und Anne noch im Ü-Wagen saß und arbeitete. Vielleicht hatte sie ihn noch gar nicht richtig vermisst. Oder sie war wegen seines plötzlichen Verschwindens sauer auf ihn, weil sie dachte, dass er sich vor dem blöden Spiel gedrückt hatte. Womöglich war sie schmollend heimgefahren, ohne nach ihm zu suchen. Der Gedanke an Anne war ein heftiger Schmerz. Er sehnte sich so sehr nach ihr …
    Beaufort spürte, wie eine Träne unterhalb seines Ohrläppchens den Hals hinunterlief. Selbstmitleid hilft dir nicht weiter, tadelte er sich. Nur nicht den Kopf verlieren. Denk logisch! Bestimmt hatte man den toten Tronka

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