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Requiem

Requiem

Titel: Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kruse
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schon gefunden. Es musste doch vor Polizei nur so wimmeln im Stadion. Das war seine Hoffnung. Nur, wer sollte ihn mit diesem Mord überhaupt in Verbindung bringen? Er hatte ja unbedingt den Täter alleine verfolgen müssen. Was hatte ihn nur dazu getrieben? Aber irgendjemand musste ihn doch bei seiner Verfolgungsjagd beobachtet haben: die Sicherheitsleute am Stadionausgang, vielleicht unterwegs ein Passant, die vielen Menschen auf dem Volksfest, womöglich ein Schausteller in einem Wohnwagen. Warum sollte so jemand allerdings zur Polizei gehen? Bloß weil zwei Männer an ihm vorbeigelaufen waren? Eher unwahrscheinlich. Da mussten die Polizisten oder Anne schon gezielt nach ihm fragen und dann auch noch das Glück haben, auf einen Zeugen zu treffen. Und solange ihn keiner bei der Kongresshalle gesehen hatte, war ohnehin alles egal. Niemand würde ihn hier vermuten. Was wäre eigentlich, wenn der Mörder nicht mehr hierher zurückkäme? Er würde wohl jämmerlich verdursten. Hier würde man ihn bestimmt nicht aufspüren.
    Beaufort zitterte. Er überzeugte sich, dass es die eisige Kälte war und keine mentale Schwäche. Am besten, er ignorierte seinen erbärmlichen Zustand. Nur nicht vom Wesentlichen ablenken lassen. Was wusste er über den Täter? Vielleicht konnte ihm das etwas nützen. Er hatte den kräftigen Mann schon einmal gesehen – nur wo? Dieses Verlies hier in der Kongresshalle war offenbar das Basislager für seine Untaten. Was für ein raffinierter Schachzug. Natürlich brachte der Mörder seine Opfer nicht daheim in der Garage um, auf die Gefahr hin, dass dort alles aufflog, sondern er tat es gleich hier auf dem Gelände. So war es ihm auch möglich gewesen, die Leichen an den verschiedenen Orten unbemerkt zur Schau zu stellen. Hier saß er so ungestört wie die Spinne in ihrem Netz. Beaufort hatte niemals in Erwägung gezogen, dass die Morde tatsächlich hier auf dem Reichsparteitagsgelände begangen wurden.
    Wer konnte sich zu diesen Räumen Zugang verschaffen? In der Kongresshalle hatten eine ganze Menge Menschen zu tun: städtische Mitarbeiter, Kanusportler, Lieferwagenfahrer, Katastrophenschutzhelfer, Bauarbeiter, Musiker. Vermutlich konnte sich so gut wie jeder, der es darauf anlegte, in einem unbeobachteten Moment einen Schlüssel klauen oder kopieren. Und wenn es doch jemand aus dem Umkreis der Nürnberger Symphoniker war? David war unschuldig, das stand jetzt definitiv fest. Es hatte ihn also jemand reingelegt. Am wahrscheinlichsten einer seiner Kollegen. Denn nur einer von ihnen hätte während der Probe, als die Polizei ihn befragte, mitbekommen können, dass Rosenberg verdächtigt wurde. Und für so einen sollte es auch ein Leichtes gewesen sein, die belastenden Indizien in Davids Wagen zu verstecken. Da lichtete sich der Nebel mit einem Mal, und Beaufort wusste, wer der Mörder war. Er hatte ihn heute tatsächlich nicht zum ersten Mal gesehen. Genau genommen war es bereits das vierte Mal in den vergangenen beiden Wochen gewesen.

 
    Libera me, Domine, de morte aeterna
    Rette mich, Herr, vor dem ewigen Tod
     
    15. Kapitel: Samstag, 4. Mai
    »Kaffee?«
    Anne hob müde den Kopf von ihren Knien und blickte niedergeschlagen zu Ekki hoch, der fragend in der Tür stand. Ihren trägen Augenaufschlag deutete er als zustimmendes Nicken.
    »Mit Milch? Oder Zucker?« Ekki fabrizierte ein schiefes Lächeln, das aufmunternd sein sollte. Er hatte die Hemdsärmel hochgekrempelt. Sein Jackett und seine Krawatte musste er im Laufe der Nacht in einem der vielen Büros hier irgendwo abgelegt haben. Noch immer strahlte er Energie aus, eine Körperspannung, die Anne nicht mehr aufzubringen vermochte.
    »Ist egal«, sagte sie gleichgültig und ließ ihren Kopf wieder auf die Knie sinken. Ihr langes dunkles Haar hüllte sie ein wie ein Umhang, mit dem sie sich von der Außenwelt abschottete. Anne saß vor der Wand auf dem Linoleumboden, hatte die Beine angezogen und hielt sie mit ihren Armen eng umschlungen. Leise spielte das Radio. Sie war am Ende ihrer Kraft. Und was noch schlimmer wog: Auch ihre Hoffnung schmolz dahin, wie ein Schokohase auf der heißen Heizung. Zwei Stunden lang war sie zusammen mit Ekki über das Reichsparteitagsgelände gefahren und gelaufen und hatte zuletzt hinter jedem Busch und Baum einen verletzten Beaufort liegen sehen. Nach und nach hatten sich alle guten Ansätze, ihn zu finden, zerschlagen. Die Handyortung, auf die Anne große Stücke gesetzt hatte, erübrigte sich, nachdem sie

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