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Requiem

Requiem

Titel: Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kruse
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militärisch und ging auf seinen Posten zurück.
    Annes Magen krampfte sich zusammen. Ihre Phantasien, was alles passiert sein könnte, schossen vor Sorge wild ins Kraut. Sie versuchte, sich zu beruhigen. Wozu machte sie Yoga?
    Ein schwarzer BMW fuhr auf das Gelände und parkte unmittelbar hinter ihr. Der Justizpressesprecher stieg aus dem Auto.
    »Ekki!«, rief sie aufgeregt und trat ihm in den Weg. »Was ist da drinnen passiert?«
    »Du schon wieder! Das hätte ich mir ja denken können. Unsere Sensationsreporterin Anne Kamlin spricht zuerst mit der Leiche.« Ertl wollte an der Journalistin vorbeigehen.
    »Du kannst dir deinen Zynismus sparen. Ich habe eine Scheißangst um Frank. Und die solltest du als sein bester Freund auch um ihn haben.«
    Der Justizsprecher blieb stehen und machte ein besorgtes Gesicht. »Was ist los? Und was tust du hier überhaupt?«
    Anne erzählte ihm vom gemeinsamen Stadionbesuch, zu dem sie Frank mitgeschleift hatte, seinem untypischen Verschwinden in der Halbzeitpause und den Gerüchten über einen Toten. Ekki spürte ihre Verzweiflung und legte beruhigend den Arm um sie. Es war die erste freundschaftliche Berührung zwischen den beiden überhaupt – bislang hatten sie sich nur förmlich die Hände gegeben.
    »Komm mit«, sagte er zu Anne und fügte leise hinzu: »Der Reichsparteitagsmörder hat wieder zugeschlagen. Mehr weiß ich auch noch nicht. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Frank sein Opfer ist. Das ergibt keinen Sinn.«
    Anne gelangte im Schlepptau des Justizsprechers problemlos durch die Absperrung. Im Tribünenbau passierten die beiden weitere Kontrollen, bis sie in einen Gang mit WCs kamen. Dort musste sie warten; Ekki verschwand in der Herrentoilette, aus der gerade ein komplett vermummter Mann in einem weißen Plastikoverall, mit Überschuhen, Haube und Mundschutz trat – ein Mitarbeiter der Spurensicherung. Er legte einige Plastikröhrchen mit Wattestäbchen in eine Box und ging wieder hinein. Anne nahm an, dass es sich um gesichertes DNA-Material vom Tatort handelte. Wieder wurde sie von motorischer Unruhe gepackt und stiefelte in dem Gang auf und ab. Dann ging sie ins Treppenhaus zurück, setzte sich auf eine der unteren Stufen, versuchte ruhig zu atmen und sich auf etwas Angenehmes zu konzentrieren. Da die so heraufbeschworenen Bilder aber alle mit ihrem Freund zu tun hatten – Frank beim stolzen Präsentieren neuer Bücherschätze, Frank beim Genießen von Frau Seidls Streuselkuchen, Frank mit dem neuen Schal neben ihr beim Spazierengehen – trugen sie nicht gerade zu ihrer Beruhigung bei. Sie legte ihren heißen Kopf an das kühle Metallgeländer und blickte trübselig zu Boden. Es dauerte eine Weile bis das, was sie da in einer Ecke liegen sah, in ihr Bewusstsein drang. Doch dann fuhr sie hoch, als hätte sie einen Stromschlag erhalten. Sie lief hinüber zum Feuerlöscher und hob den Gegenstand daneben auf. Es war ein Kaschmirschal mit einem aparten schwarz-roten Muster. Er gehörte Beaufort. Unwillkürlich presste Anne ihr Gesicht hinein, roch den Duft seines Aftershaves und schluchzte auf. Mit Tränen in den Augen rannte sie den Gang hinunter zur Toilette, wo Ertl mit zwei Männern in ein Gespräch vertieft war. Sie warf sich ihm heulend an den Hals, und der verdutzte, fast einen Kopf kleinere Justizsprecher brauchte einen Moment, bis er die ungewohnte Last ausbalanciert hatte.
    »Jetzt beruhige dich doch«, sagte er, ihr steif den Rücken tätschelnd.
    »Es ist Frank, nicht wahr?« Sie heulte in die wattierte Schulter seines Jacketts.
    »Wie kommst du darauf? Es ist Daniel Tronka, einer der jungen Neonazis aus Gessners Kreis. Der Mörder hat ihn auf dem Klo erdrosselt. Es ist das erste Opfer, dass er nicht zuerst noch verschleppt, sondern gleich an Ort und Stelle umgebracht hat. Ansonsten dasselbe Bild wie bei den anderen: SS-Rune und Hitlerschnauzer.«
    Anne sah verweint auf. »Er ist es nicht?«
    »Wenn ich es dir doch sage.«
    Sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen von den hohen Wangenknochen und schniefte. »Aber er war hier. Ich habe da hinten seinen Schal gefunden. Frank ist in Gefahr. Ich spüre das.«
    Ekki wurde blass. »Glaubst du, er ist dem Mörder begegnet?« Er reichte ihr ein sauberes Taschentuch.
    Sie nickte. »Anders kann ich es mir nicht erklären.« Anne nahm das weiße Stofftuch, tupfte sich damit das feuchte Gesicht ab und schnäuzte sich herzhaft hinein.
    Unterdessen wandte Ertl sich leise an den Soko-Mitarbeiter, mit dem

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