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Requiem

Requiem

Titel: Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kruse
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bei Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern untergebracht. Aber dann wurde er in der Nähe seiner Unterkunft von drei Rechtsextremen brutal überfallen und lebensgefährlich verletzt. Es dauerte Monate, bis er wieder genesen war. Aufgrund dieses Vorfalls erhielt er natürlich aus Kulanzgründen eine ständige Aufenthaltsgenehmigung. Die Täter wurden nie gefasst.« Ein Raunen ging durch den Raum.
    »Und Karim hat die Täter ausfindig gemacht und bringt sie jetzt der Reihe nach um?«, fragte Ertl.
    »Das ist eher unwahrscheinlich. Daniel Tronka und Sebastian Kunz waren noch Kinder, als der Überfall auf den Geiger geschah. Aber von allen Orchestermitgliedern ist er derjenige, der den größten Hass auf Neonazis haben muss. Ein unbewältigtes Trauma kann durch einen unbestimmten Auslöser auch nach Jahren wieder aufbrechen und eine Art Übersprungshandlung verursachen, sagt unser Psychologe. Leider gehört Karim zu den Musikern, die wir noch nicht befragt haben. Aber da Gefahr im Verzug ist und wir das Leben einer Geisel zu schützen haben, schicken wir nicht einfach nur zwei Kollegen zur Vernehmung vorbei. Wir fahren einen Großeinsatz. Also – schnappen wir uns den Kerl!«
    Der Soko-Leiter gab seinem Assistenten ein Zeichen, und der warf mit einem Beamer einen Ausschnitt des Nürnberger Stadtplans an die digitale Wandtafel. Sogar die Sonderkommission benutzte Google Earth, stellte Anne fest. Sie sah per Satellit geschossene Luftbildaufnahmen vom Nordosten und erkannte die Stadtteile Schoppershof, Großreuth, Ziegelstein und den großen Marienbergpark wieder. Der Assistent zoomte das Bild heran, bis einzelne Straßenzüge, Häuserblocks und Hinterhöfe deutlich zu sehen waren.
    »Unser Mann wohnt hier, in der Bayreuther Straße, Nummer 57a.« Mit einem elektronischen Stift markierte der Soko-Leiter ein hohes Wohnhaus mit einem Kreuz. Direkt gegenüber befand sich eine Tankstelle, ganz in der Nähe lag das neue Einkaufszentrum Mercado . »Tariq Karims Wohnung liegt im vierten Stock. Da wir nicht ausschließen können, dass er die Geisel bei sich hat, müssen wir äußerst vorsichtig vorgehen. Der Zugriff erfolgt über SEG und PSG. Ich will, dass die Präzisionsschützen hier in dem Haus gegenüber postiert werden.« Er malte ein weiteres Kreuz auf die Tafel. »Um kein Risiko einzugehen und zu verhindern, dass Karim uns entdeckt, weil er gerade zufällig aus dem Fenster schaut, schlage ich vor, nicht direkt über die Bayreuther Straße anzufahren. Am besten, wir nähern uns der Wohnung von hinten über den Nordring und sammeln uns hier in der Senefelder Straße.«
    »Das ist vielleicht nicht ganz so günstig.«
    Der Soko-Leiter schaute genervt zu Anne, die den Einwand geäußert hatte. »Und warum nicht? Sie können sicher sein, dass wir unser Möglichstes tun, um ihren Freund da rauszuholen. Vorausgesetzt, er ist überhaupt in dieser Wohnung, Frau …«
    »Kamlin. Anne Kamlin. Genau dort in der Senefelder Straße befindet sich das Funkhaus mit vier privaten Radiostationen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie da lange unbemerkt bleiben. Wenn Sie nicht wollen, dass Ihr Einsatz live über den Äther verbreitet wird, würde ich Ihre Leute woanders zusammenkommen lassen. In der Rothstraße zum Beispiel, oder in der kleinen Steigerwaldstraße. Vielleicht sogar im zweiten Hinterhof.«
    Die Mine des Leiters hellte sich auf. »Das ist ein ganz wertvoller Hinweis, Frau Kamlin. Vielen Dank. Woher kennen Sie sich dort so gut aus?«
    »Ich habe in dem Viertel ein paar Jahre gewohnt. Direkt am alten Eishockeystadion. Das ist da, wo jetzt das Einkaufszentrum steht.«
    Er sah sie prüfend an. »Sie machen mir einen gefassten und besonnenen Eindruck. Wollen Sie mitkommen? Mit Ihren Ortskenntnissen könnte ich Sie bei diesem Einsatz gut brauchen. Ganz ungefährlich ist das allerdings nicht.«
    »Ich tue alles, was Frank helfen kann«, sagte Anne fest. Natürlich wollte sie mit dabei sein. Sie hätte es sowieso kaum ausgehalten, untätig zurückbleiben zu müssen.
     
    *
     
    Mit offenen Augen starrte er in die Dunkelheit, doch sein Blick konnte nichts festhalten. Seine Hände waren immer noch verkrallt. Er atmete schnell und flach, sein Herz schlug heftig, der Puls peitschte in seinen Schläfen. Dann floss die Adrenalinwelle langsam ab, er schloss die Augen, entließ einen langen Seufzer und versuchte, die verkrampften Muskeln zu lockern. Zögernd entspannte er sich ein wenig. Sein Gesicht war ganz feucht. Waren es Schweiß oder

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