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Requiem

Requiem

Titel: Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kruse
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durch den etwa 100 Quadratmeter großen Raum und legte eine alte Schallplatte aus den 50ern von Jay Jay Johnson auf. Sein Bestand an Platten und CDs reichte nicht entfernt an den seiner Bücher heran. Beaufort besaß rund 3 000 Tonträger, vor allem mit Jazz und Klassik. Dem standen mehr als 18 000 Bücher entgegen, viele davon äußerst wertvoll. Beaufort, der nach dem Unfalltod seiner Eltern das ererbte Spielwarenimperium verkauft hatte, lebte relativ zurückgezogen in seiner modernen Penthauswohnung über der Nürnberger Altstadt. Auch wenn er nicht untätig war – er schrieb Kritiken und Essays, unterrichtete ein wenig an der Universität und war in mehreren kulturellen Vereinen engagiert –, hatte er ein Talent dafür, seinen Reichtum auch zu genießen. Das war etwas, was nicht viele Leute seiner Vermögensklasse beherrschten.
    Beaufort aß und trank mit Appetit und las alle Artikel über den Leichenfund im Luitpoldhain aufmerksam durch. Manchmal notierte er sich etwas in sein in dunkelblaues Leder gebundenes Notizbuch. Auch ihn überraschte der Bericht über die Identität des Toten. Das waren ja interessante Neuigkeiten! Wahrscheinlich hatte Anne deswegen gerade ganz schön zu tun. Beaufort wollte zu gern wissen, woran der junge Neonazi gestorben war und ob es sich tatsächlich um Mord handelte. Vielleicht war die Leichenschau ja schon beendet. Er wählte Annes Handynummer.
    »Hallo Frank. Na, ausgeschlafen?«, fragte sie im spöttischen Ton derjenigen, die schon seit Stunden auf den Beinen war. Aber Beaufort war ihre kleinen Frotzeleien gewohnt und hatte keine Lust, darauf einzugehen.
    »Hast du viel zu tun, jetzt, wo die Identität des Toten bekannt ist?«
    »Das kann man wohl sagen. Ich bin hier heute Morgen angekommen, um mich ein bisschen als Heldin der Arbeit feiern zu lassen. Stattdessen musste ich mir von der blöden Ina Vorhaltungen machen lassen.«
    »Ach, ignorier sie doch einfach.«
    »Das sagt sich so leicht. Du musst dich ja nicht mit Ihr rumplagen.«
    In der Gesprächspause nahm Beaufort Geräusche von Straßenverkehr wahr. »Sitzt du gerade im Auto? Dann bist du bestimmt auf dem Weg nach Baiersdorf.«
    »Nein, das hat Roland übernommen. Ich fahre gerade zum Club raus.«
    »Wie, du bist nicht mehr an dem Fall dran?« Beauforts Stimme klang enttäuscht.
    »Doch, schon irgendwie. Aber mehr so mit halber Kraft. Ich habe ja Fußballdienst diese Woche, und dann noch das Casting am Freitag.«
    »Na, darüber können wir ja heute Abend noch einmal reden. Kommst du zum Essen?«
    »Klar. Kochst du oder Frau Seidl?« Beide kochten gut, Beaufort am liebsten französisch, seine Haushälterin fränkische Hausmannskost.
    »Mal sehen. Lass dich einfach überraschen. Wann kommt eigentlich der Obduktionsbericht?«
    »Du, ich muss auflegen. Da kommt ein Streifenwagen. Bis heute Abend!«
    Noch ehe er antworten konnte, war das Gespräch unterbrochen. Es wurde Zeit, dass Anne sich endlich eine Freisprechanlage installieren ließ.
    Vielleicht wusste Ekki inzwischen mehr über die Todesumstände. Aber auch im Gericht hatte er kein Glück. Der Sekretär des Justizsprechers teilte ihm mit, dass Richter Ertl in einer wichtigen Konferenz war und erst – und auch das nur mit viel Glück – am Nachmittag kurz zu sprechen sei.
    Beaufort räumte das Frühstück ab und spielte danach ein wenig Klavier, hörte aber schon bald wieder auf. Er nahm sich einen kleinen Stapel seiner Neuerwerbungen vom schweren, alten Bibliothekstisch, setzte sich in seinen Ohrensessel und versuchte zu lesen. Aber weder der von Adorno signierte Versuch über Wagner noch der neue Kriminalroman von Henning Mankell fesselten seine Aufmerksamkeit länger als für zwei, drei Absätze. Er fühlte sich schlaff und antriebslos. Das schlechte Wetter ging ihm auf die Nerven. Und zum Einkaufen und Kochen hatte er erst recht keine Lust. Deshalb rief er Frau Seidl in ihrer Erdgeschosswohnung an und bat sie, für Anne und ihn zum Abendessen etwas zu kochen. Die Haushälterin schlug Sauerbraten mit Lebkuchensoße und rohen Klößen vor, was Beauforts Zustimmung fand. Nur ihr Angebot, eine Bayerisch Creme zum Dessert zuzubereiten, lehnte er ab, denn es war ja noch genug von ihrem vorzüglichen Gugelhupf da. Danach öffnete er eine Schublade der Kommode, griff hinein und schob sich zwei Trüffeleier, gefüllt mit Marc de Champagne, in den Mund. In deutlich aufgehellter Stimmung und weil er sich sowieso auf nichts anderes konzentrieren konnte, widmete er sich nun

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