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Requiem

Requiem

Titel: Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kruse
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der Hand.
    »Was macht ihr denn für einen Lärm«, beschwerte sich Beaufort, »ihr habt doch beide einen Schlüssel.«
    »Das nützt uns aber nichts, wenn deiner von innen im Schloss steckt.« Anne gab dem Hausherrn einen dicken Schmatz und marschierte zusammen mit der Haushälterin in die Küche. Er folgte ihnen.
    »Vielleicht solltest du nicht so laut Musik hören, wenn Abendessenszeit ist«, sagte Anne. Beaufort schaute auf die Uhr; er hatte gar nicht gemerkt, wie die Zeit vergangen war. »Was ist das überhaupt für ein schrecklicher Krach?«
    Die beiden Frauen stellten die Töpfe auf den Gasherd und machten ihn an. Frank umarmte Anne von hinten. »Laut ist es schon, aber kein Krach, sondern wunderschöne Verdi-Musik. Ich habe heute so viel über nationalsozialistisches Totengedenken gelesen, dass ich als Gegengift dazu ein gescheites Requiem hören musste.«
    »Ja, Herr Dr. Beaufort, was studiern denn Sie auch so furchtbare Sachn«, meldete sich Frau Seidl, in einem der Töpfe rührend, zu Wort. »Also, ich les’ grad das neue Buch vom Paulo Coelho. Des is schee, und so weise. Des solltn’s auch mal lesn.«
    Er überging den Lektüretipp höflich und bot sich an, oben den Tisch zu decken. Aber Anne wollte lieber in der Küche bleiben, weil sie es da auch gemütlich fand. Auf ihren Wunsch machte er das Requiem aus, das er den ganzen Nachmittag über immer wieder gehört hatte, und kam mit einem Stoß Jazz-CDs zurück. Er legte eine Scheibe von Roberta Gambarini auf, zündete die Kerzen auf dem Küchentisch an, verschwand für zwei Minuten in einem der unteren Zimmer, um zu telefonieren, und geleitete danach seine Haushälterin an die Tür. Dort flüsterte er ihr etwas ins Ohr, worauf sie verschwörerisch lächelte, übergab ihr einen Schlüsselbund und ein Handy und verabschiedete sie mit einem Lob für den Duft des Bratens. Zurück in der Küche entkorkte er seine letzte Flasche Tomero, einen hervorragenden Malbec-Rotwein aus Argentinien, den er von seinem Freund Javier bezog. Der Braten war so zart, dass er beinahe ohne Kauen auf der Zunge zerging. Und die gelben Klöße hatten genau die richtige Konsistenz, nicht zu fest und nicht zu glitschig, um die leckere Soße aufzunehmen, die mit Lebkuchen verfeinert war. Anne mäkelte anfangs ein wenig über die vielen Kalorien, langte dann aber kräftig zu. Beaufort schmunzelte. Er hätte sich niemals in eine Frau verlieben können, die die Sinnlichkeit eines guten Essens und eines edlen Tropfens nicht zu schätzen wusste. Sie aßen mit Genuss und genehmigten sich sogar noch einen kleinen Nachschlag. Und natürlich sprachen sie dabei über den neuen Fall. Nicht mal der Tote konnte ihnen den Appetit verderben. Beaufort erzählte Anne, was er über die Reichsparteitage auf dem Luitpoldhain herausgefunden hatte, und sie konnte über diesen Führerkult mit Feldgottesdienstcharakter nur den Kopf schütteln. Dann kam ihr plötzlich ein Gedanke.
    »Meinst du, unsere Leiche war in die ›Blutfahne‹ eingewickelt?«
    »Das kann ich mir nicht vorstellen. Die Fahne sah doch ziemlich neu aus, fandest du nicht? Bestimmt stammen die Blutflecken von dem Toten selbst.«
    »Wo ist diese Fahne eigentlich nach dem Krieg abgeblieben?«
    Beaufort schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Wahrscheinlich bei einem Luftangriff verbrannt. Oder ein amerikanischer GI hat sie als Andenken mit heimgenommen, und jetzt vermodert sie irgendwo auf dem Dachboden einer Farm in Minnesota.«
    »Wenn das Ding noch existiert, muss es jedenfalls für Sammler einen immensen Wert auf dem Schwarzmarkt haben. Sicherlich viel zu wertvoll, um einen kleinen ermordeten Neonazi darin einzuwickeln.«
    »Wer sagt dir denn, dass der Kerl ermordet wurde? Bis jetzt ist doch noch gar nicht bekannt, wie er zu Tode gekommen ist«, bemerkte Beaufort und nippte an seinem Weinglas.
    Anne schaute ihm voll in die Augen und setzte ihr wissendes Lächeln auf. »Das stimmt, allgemein bekannt ist es noch nicht, aber ich durfte schon mal einen exklusiven Blick in den Obduktionsbericht werfen.«
    Beaufort zog die Unterlippe hoch und nickte anerkennend. »Nicht schlecht. Wie hast du denn das wieder geschafft? Ich dachte, du warst heute mit dem Club beschäftigt.«
    »War ich auch. Aber auf dem Weg vom Studio hierher habe ich noch einen kurzen Stopp im Polizeipräsidium eingelegt. Von allen Polizeisprechern war nur noch der gute Barthelmess da, und woran arbeitete der wohl gerade?«
    »An einer Pressemeldung über den

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