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Requiem

Requiem

Titel: Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kruse
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baust.«
    Anne schaute ihn streng an. »Das hättest du mir gerne vorher sagen können.«
    »Dann wäre es aber keine Überraschung mehr gewesen.«
    »Dominanter, geheimnistuerischer Millionärssohn«, sagte sie zärtlich.
    »Undankbare, zynische Journalistin«, säuselte Beaufort in ihr Ohr. Und nach einer innigen Umarmung setzten sie sich wieder an den Tisch. Jetzt wollte Anne doch noch etwas von dem Rotwein.
    »Und was machen wir jetzt mit dem Fall? Ich habe kaum Zeit dafür. Morgen mache ich einen Vorbericht zum Heimspiel von Greuther Fürth. Übermorgen ist ein Beitrag über den Aufbau des Frühlingsvolkfestes geplant. Donnerstag moderiere ich die Regionalnachrichten. Und fürs Casting am Freitag muss ich mich auch noch vorbereiten.«
    »Das ist wirklich ärgerlich. Zusammen macht es viel mehr Spaß. Aber ich kann morgen ja mal bei Ekki vorbeischauen und versuchen, ihn anzubohren. Vielleicht erzählt er mir etwas über die Hintergründe der Tat und die hiesige Neonaziszene.«
    »Na, wenn du sowieso ins Gericht gehst, kannst du einige Leute aus der rechtsextremen Szene gleich persönlich begutachten. Morgen geht nämlich der Prozess gegen Gessner weiter.«
    Beaufort sah sie fragend an. »Gessner …? Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor.«
    »Heinrich Gessner ist einer der führenden Neonazis hier in Franken. Einer der geistigen Brandstifter, der in mehreren rechtsextremen Gruppierungen aktiv ist und die völkische Jugend um sich schart. Bei einer braunen Demo in Nürnberg soll Gessner eine solche Blut-und-Boden-Rede gehalten haben, dass er dafür angeklagt wurde.«
    »Ist das dieser Prozess, der sich schon ewig hinzieht, weil der Angeklagte sich dauernd so ausgiebig zu Wort meldet? Von dem habe ich in der Zeitung gelesen.«
    »Wir haben im Rundfunk nur vom Auftakt berichtet und warten darauf, dass endlich das Urteil gesprochen wird. Dazwischen wollen wir den Rechtsextremen kein Forum einräumen. Aber die Zeitungen begleiten die Verhandlung natürlich ausführlicher. Ich habe heute Früh mit Lotti Bruns, der Gerichtsreporterin der NZ , telefoniert. Die hat erwähnt, dass der Prozess morgen Früh weitergeht. Du solltest mal einen Vormittag als Beobachter investieren. Das würde bestimmt dein staatsbürgerliches Bewusstsein fördern.«
    Anne meinte das ironisch, denn schließlich war Beaufort Dozent für Sozial- und Staatsbürgerkunde an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät. Aber einen richtigen Prozess hatte er noch niemals im Gerichtssaal verfolgt.
    »Gute Idee. Vielleicht kann mir deine Zeitungskollegin sogar ein paar Tipps über die rechte Szene geben.«
    »Das macht Lotti bestimmt. Sie ist sehr nett. Grüß sie von mir, wenn du mit ihr sprichst. Du kannst sie gar nicht verwechseln. Sie ist groß, schlank und eine richtig rassige Rothaarige. Die Frau ist auch mit 50 noch ein echter Hingucker.«
    »Das sind ja verlockende Aussichten«, grinste Beaufort.
    Anne hob die Augenbrauen und warf ihr langes Haar zurück. Ihre braunen Augen blitzten im Kerzenlicht. Wortlos stand sie auf, ging um den Tisch herum und setzte sich rittlings auf seinen Schoß. Langsam knöpfte sie die Bluse auf, präsentierte Beaufort einen dunkelroten Spitzen-BH und drückte ihm ihren Busen ins Gesicht. »Das ist aber auch keine schlechte Aussicht«, keuchte er, ließ seine Hand ihren Rücken hochgleiten und öffnete mit einem geübten Handgriff den Verschluss zwischen den Schulterblättern. Dann küssten sie sich lange und leidenschaftlich. Kurz darauf fielen ein Weinglas und ein Dessertteller vom Küchentisch und gingen zu Bruch.

 
    Liber scriptus proferetur
    Und ein Buch wird aufgeschlagen
     
    4. Kapitel: Dienstag, 23. April
    Der monumentale Justizpalast in der Fürther Straße war groß, unübersichtlich und für Uneingeweihte ziemlich verschachtelt. Der 100 Jahre alte Gebäudekomplex, an den sich ein riesiges Gefängnis-Areal anschloss, wirkte mit seinen großen Innenhöfen wie ein kleiner Stadtteil. Zwischen den Justiz-Karrees gab es einige wenige Übergänge, die sich garantiert nie in dem Stockwerk befanden, in dem man sich gerade aufhielt. Wann immer Frank Beaufort hierher kam, fühlte er sich so ratlos wie Harry Potter in seinen ersten Tagen im Zauberinternat Hogwarts, wo Treppen und Türen die Angewohnheit hatten, plötzlich zu verschwinden. Und er war sich nicht sicher, ob es nicht auch hier Geister und Hexen gab. Mit Ausnahme von Ekkis Büro, das vom Haupteingang aus relativ leicht zu finden war, und dem

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