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Requiem

Requiem

Titel: Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kruse
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dazwischenhalten. Aber solange die NPD nicht als verfassungswidrig verboten ist, hat sie die gleichen Rechte wie jede andere demokratische Partei. Und dazu gehört nun mal auch das Versammlungsrecht.«
    »Und warum haben sie ihm nicht einfach das Wort entzogen, als er mit seinen Hetzreden anfing?«
    »Weil die Einsatzleitung oder der Verfassungsschutz es wohl effektiver fanden, das alles zu filmen, um Gessner dann vor Gericht zu stellen.«
    Sie bogen um eine Ecke und sahen im Gang mehrere Polizisten in Uniform stehen. Vor der Tür zum Gerichtssaal war ein Metalldetektor aufgebaut, ähnlich dem beim Einchecken im Flughafen. Zuerst schritt Lotti Bruns durch den Metallrahmen. Nachdem sie ohne Störung hindurch war, forderte einer der Beamten ihre Handtasche und durchsuchte sie sorgfältig. Als Beaufort ihr folgte, fing es an zu piepsen. Ein Polizist hielt ihn an und fuhr mit einem Metalldetektor in der Hand an seinem Körper entlang. Bei seiner Gürtelschnalle und der Armbanduhr schlug das Gerät mit einem Summton an. Der Beamte tastete ihn noch mal mit den Händen ab. Schließlich durfte auch er in den Saal hineingehen.
    »Das sind ja ganz schön aufwendige Sicherheitsvorkehrungen«, bemerkte er zu der Reporterin, die auf ihn gewartet hatte. »Ist das hier immer so?«
    »Normalerweise nicht, aber bei so einem Prozess will man natürlich kein Risiko eingehen.« Sie deutete mit einer Kopfbewegung, die ihre roten Locken in Schwung brachte, zu einer Gruppe junger Männer, die im Zuschauerraum beisammen saßen. Zwei von ihnen waren tätowierte, kahlrasierte Skinheads, die anderen vier sahen recht normal aus in T-Shirts, Jeans und Jacken. Einer von ihnen hatte sogar lange Haare. Ob sie Springerstiefel trugen, konnte Beaufort nicht erkennen. Ansonsten saßen auf den Zuschauerbänken verteilt etwa ein Dutzend Rentner und drei junge Frauen, vielleicht Jurastudentinnen.
    »Die sechs Kerle dort, sind das Gessners ›braune Jünger‹, wie Sie sie vorhin nannten?«, raunte er ihr leise zu.
    Sie nickte. »Wollen Sie sich mit zu mir auf die Pressebank setzen?«
    Lotti Bruns nahm auf der Holzbank in der ersten Reihe Platz, wo schon mehrere Journalisten saßen, und begann leise ein Gespräch mit einem Kollegen. Beaufort setzte sich neben sie und schaute sich um. Die Wände des Raums waren bis zur halben Höhe mit Nussbaum getäfelt. Die hohe Richterbank und die Bänke für die Anklagen und die Verteidigung bestanden aus dem gleichen Holz. Links installierte sich gerade der Gerichtsschreiber, und der Staatsanwalt blätterte in seinen Akten. Viel interessanter fand Beaufort die rechte Seite, wo der Angeklagte saß und in ein Gespräch mit seinem Verteidiger vertieft war. Gessner mochte etwa 60 Jahre alt sein. Er war mittelgroß, sehr schlank, beinahe hager, hatte schütteres zurückgekämmtes Haar, eine ausgeprägte Nase, wachsame Augen und einen riesigen Adamsapfel. Am auffälligsten war aber sein langer mittelbrauner Ledermantel, der es geschickt vermied, SS- oder Wehrmachtsmäntel direkt zu zitieren, aber trotzdem genau diese Assoziation hervorrief.
    »Na, gefällt Ihnen der Mantel?«, fragte ihn Lotti Bruns. »Das ist sein Markenzeichen. Ohne den zeigt er sich nicht in der Öffentlichkeit.«
    »Entzückendes Modell. Nur etwas schwer. Der wiegt doch bestimmt ein paar Kilo.«
    In dem Moment betraten der Richter und seine Beisitzer den Saal durch eine eigene Tür an der Stirnseite. Der Vorsitzende eröffnete die Sitzung zügig und gab der Hoffnung Ausdruck, heute endlich die Beweisaufnahme abschließen zu können, sofern sich der Angeklagte nicht wieder so ausgiebig zu Wort melde, wie er es an den vergangenen sechs Verhandlungstagen getan habe. Daraufhin erinnerte der Verteidiger daran, dass sein Mandant mit seinen Ausführungen beim letzten Mal noch gar nicht fertig geworden sei und darum bitte, fortfahren zu dürfen. Als der Richter entgegnete, dass der Angeklagte zuletzt immerhin fünf Stunden lang zu den Vorwürfen der Verbreitung volksverhetzender Schriften Stellung bezogen und mit seinen unsäglichen Monologen die Geduld des Gerichts aufs Äußerste strapaziert habe, bestand der Anwalt dennoch auf das Recht eines jeden, sich zu verteidigen. Genervt erteilte der Richter dem Angeklagten das Wort, allerdings nicht ohne ihn vorher zu fragen, ob er denn wenigstens heute gedenke, seinen Mantel auszuziehen, um so die Würde des hohen Hauses zu wahren. Das würde er ja gerne tun, antwortete Gessner gelassen, aber ihm sei nun mal kalt und

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