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Requiem

Requiem

Titel: Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kruse
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anderen Gästen su groß. Deshalb haben die seit neuestem eine andere Taktik. Sie gehen in kleine Wirtsaften in die Vorstadt und mieten dort das Nebensimmer unter harmlosen Namen. Sie treffen sich da regelmäßig, bis bekannt wird, wer die wirklich sind. Im Moment bevorsugen sie deuts klingende Gasthäuser mit griechisen Pächtern. Die haben politis oft keine Ahnung und wissen nicht, wem sie da eigentlich ihre Räume vermieten.«
    Beaufort hatte mit wachsender Verblüffung zugehört. »Woher weißt du das alles, Javier?«
    »Franco«, er streckte theatralisch die Arme von sich und machte eine dramaturgische Pause, »du liest die falsen Seitungen.« Damit griff er hinter seine Theke und zog eine Studentenzeitung hervor. »Steht alles hier drin.« Er blätterte, bis er den entsprechenden Artikel fand. »Sogar der aktuelle Treffpunkt ist hier genannt: der Graue Adler in der Gartenstadt. Das ist nicht so weit weg von die Reichsparteitagsgelände.«
    »Kann ich das Heft haben?«, fragte Beaufort aufgeregt.
    »Ich habe swar noch nicht alles gelesen, aber natürlich, Franco.« Er reichte es ihm. »Wenn ich morgen wieder meinen Spanis-Kurs an der Uni gebe, kann ich mir ja noch ein Exemplar mitnehmen.«
    »Sag nicht, dass das Semester schon wieder begonnen hat.« Beaufort wirkte plötzlich konsterniert.
    »Doch, seit dieser Woche. Franco! Wo willst du denn so snell hin?«
    Beaufort war aufgesprungen und hatte sich sein Jackett übergeworfen. »Danke für die Erinnerung. Ich muss in …«, er schaute auf die Uhr, »… anderthalb Stunden bei meinen Studenten sein. Und ich habe noch nichts vorbereitet.«
    Er hastete mit gesenktem Kopf über den Henkersteg, dessen Überdachung wieder voller Spinnennetze hing, und gelangte nach kaum zwei Minuten zu seinem Wohnhaus am Kaspar-Hauser-Platz. Als er ins Treppenhaus trat, kam Frau Seidl rechts aus ihrer Wohnungstür. Da ihre Küche auf den Platz hinausging, bekam sie fast immer mit, wer das Haus verließ und betrat. Sie war neugierig wie eine Concierge in einem Simenon-Roman.
    »Der Herr Ertl hat bei mir angrufn. Er schafft’s mit der Verabredung heut Abend net. Weil er a ganz dringende Sitzung hat, sacht er.«
    »Danke fürs Ausrichten. Ich bin leider etwas in Eile. Nichts für ungut, Frau Seidl.« Beaufort drückte den Fahrstuhlknopf, und die Tür öffnete sich für ihn. Er nickte seiner Haushälterin freundlich durch die sich schließende Schiebetür zu, blockierte dann aber mit seinem Fuß die Lichtschranke, so dass sie wieder aufging.
    »Wieso ruft Ekki bei Ihnen an und nicht bei mir?«
    »Sie habn halt wieder mal ihr Handy liegn lassn. Ich hab’s vorhin beim Staubwischn g’sehn – es licht obn auf der Kommod’. Und der Anrufbeantworter is auch net eingschaltn.«
    »Ich bin heute Früh etwas eilig aufgebrochen«, sagte er entschuldigend durch die erneut sich schließende Tür. Doch abermals blockierte er den Kontakt, und sie schob sich wieder auf.
    »Was riecht denn da so gut?«
    »Ich mach grad mei Wildschweinpastete.« Sie zupfte einen Träger ihrer weißen Schürze zurecht. »Soll ich Ihnen später a weng a Versucherler naufstelln?«
    »Frau Seidl, für diese Pastete könnte ich sterben.«
    Diesmal schloss sich die Tür endgültig, und der Fahrstuhl fuhr ohne weitere Unterbrechung ins obere Stockwerk.
    Er hatte gerade die Wohnungstür aufgeschlossen, da läutete das Telefon.
    »Hast du immer noch Sehnsucht nach mir?«, fragte Anne zärtlich. Beaufort liebte ihre erotisierende Altstimme.
    »Mehr denn je. Besonders seitdem ich dich vorhin in deinem sexy Rock gesehen habe. Warum fragst du?«
    »Mein Yoga-Kurs fällt aus, die Dozentin ist krank. Da dachte ich …«
    »… dass ich Ekki vielleicht doch absagen könnte? Das hat er gerade selbst getan, er muss auf irgendeine Krisensitzung.«
    »Super! Ich könnte natürlich auch fürs Casting üben, aber so eine doppelte Schicksalsfügung sollte man nicht ignorieren. Was wollen wir anstellen? Ich hätte Lust, mal wieder mit dir Musik zu machen. Oder wir könnten tanzen gehen.«
    »Gute Vorschläge«, sagte Beaufort und meinte es auch so, denn er begleitete Annes Gesang gern auf dem Klavier. Und Tanzen war eine der wenigen sportlichen Betätigungen, für die er fast immer zu begeistern war.
    »Wir könnten aber auch etwas ganz Verrücktes anstellen«, schlug er vor, »wir könnten zusammen essen gehen.«
    »Klingt ja wahnsinnig verrückt«, erwiderte Anne ironisch.
    »Aber das Lokal, an das ich denke, bietet dir einen echten Trip

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