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Requiem

Requiem

Titel: Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kruse
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Die Verhandlung war nach dem Eklat zwischen Gessner und ihm nicht mehr fortgesetzt und auf heute vertagt worden. Warum das geschehen war, stand glücklicherweise nicht in der Zeitung. Die Journalisten hatten von dem Vorfall wohl tatsächlich nichts mitbekommen. Stattdessen hatte Ekki ihnen weisgemacht, dass dem Richter unwohl geworden war. Wenn selbst der Justizsprecher zur Notlüge griff, durfte man wirklich keinem Pressesprecher mehr trauen, fand er. Aber in diesem Fall konnte es ihm nur recht sein.
    Er dachte an Markgrafs völlig überzogenem Auftritt vorhin. Bei Gelegenheit musste er doch mal im Internet über den Mann recherchieren. Auch über die rechtsextreme Szene sollte er sich dort mal schlauer machen. Aber ihm graute schon im Voraus vor dem Schmutz und Geifer, den er da lesen würde. Außerdem hatte er Angst, danach mit Spam-Mails überhäuft zu werden. Besser, er ginge für diese Recherche in ein Internet-Café und benutzte nicht seinen eigenen Rechner.
    Über die letzten Stunden im Leben des toten Neonazis hatten sie auch noch nichts herausgebracht. Ob er mal nach Baiersdorf fahren sollte? Aber Klinkenputzen bei den Nachbarn und der Familie lag ihm nicht. Schon Annes Kollege Roland hatte es schwer gehabt, jemanden zu finden, der ihm etwas über diesen Sebastian K. erzählte.
    Wo sich die Rechten wohl trafen? Er hatte davon gehört und gelesen, dass die NPD sich verstärkt darum bemühte, in Franken Fuß zu fassen. Immer mal wieder hieß es, dass die Rechtsextremen versuchten, auf dem Land Immobilien zu kaufen, um dort Treffpunkte und Schulungszentren einzurichten. Ein Gasthaus in Warmensteinach war im Gespräch, das Kloster von Weißenohe und ein altes Fachwerkhaus in Schwanstetten. Manchmal hatten die Neonazis aber gar kein echtes Interesse, sondern nur einen versteckten Deal mit den Besitzern der Häuser gemacht. Sobald sich die NPD offiziell für eine Immobilie interessierte, trieb das ihren Preis in die Höhe, denn zu Recht aufgebrachte Bürger veranlassten die Gemeinde häufig, von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Eine klassische Win-Win-Situation würde ein Ökonom das nennen. Die Neonazis bekamen laufend Schlagzeilen, dank derer sie im Gespräch blieben, und die Hausbesitzer wurden so eine sonst vielleicht unverkäufliche Immobilie zu einem attraktiven Preis los.
    Beaufort schlug die Augen auf. Aber wo trafen sich die Rechten in Nürnberg? Darüber hatte er nie etwas gehört. Gab es hier überhaupt einen festen Treffpunkt?
    Er verspürte Lust auf einen Kaffee. Doch den würde er nicht hier trinken, sondern bei seinem Freund Javier am Trödelmarkt. So schlug er gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe: Erstens bekam er einen guten Espresso. Zweitens wusste Javier als Ausländer vielleicht etwas über die fremdenfeindliche und rassistische Szene. Und drittens konnte er gleich seinen Bestand an Tomero wieder auffüllen.
    Beaufort zahlte und spazierte gutgelaunt los, vorbei an Mauthalle und Lorenzkirche, über Kaiserstraße und Karlsbrücke bis hin zum Trödelmarkt, einer kleinen bebauten Insel mitten in der Pegnitz. Gleich links, in einem mehrstöckigen, aber winzig schmalen Altbau mit pinkfarbener Fassade, lag das Geschäft, eine originelle Mischung aus Juwelierladen, Vinothek und Kunstgalerie. Schmuck, Wein und Bilder waren hauptsächlich südamerikanisch, denn Javier Moya war Argentinier, der vor vielen Jahren als Student vor dem Militärregime seiner Heimat geflohen war und schließlich in Nürnberg Fuß gefasst hatte. Er war ein lachlustiger Lebenskünstler, kannte Gott und die Welt und behauptete von sich, der größte Tangotänzer nördlich des Äquators zu sein. Nur dass Beaufort ihn noch niemals den Beweis hatte antreten sehen. Er hegte den Verdacht, dass dahinter eine Art nationaler Klischeezwang steckte; auch jeder zweite Ire, den Beaufort kannte, versicherte ihm, Dichter vom Kaliber eines James Joyce zu sein.
    Javier stand hinter seinem kleinen Schaufenster und blickte interessiert hinaus, als Beaufort den Laden betrat.
    »Hallo Franco, meine Freund«, sagte er herzlich und umarmte ihn. Wie die meisten Latinos hatte Javier eine gänzlich andere Auffassung davon, wo die Intimsphäre seines Gegenübers anfing. Selbst bei Fremden, egal ob Mann oder Frau, begann spätestens nach zwei Minuten der Körperkontakt in Form von lobendem Betasten einen Kleidungsstoffes, freundschaftlichem Hand-auf-die-Schulter-legen oder kumpelhaften Knüffen. Das stand fränkischem Verhalten – die Skala

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