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Requiem

Requiem

Titel: Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kruse
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und sie zog ein flaches Handy aus der Gesäßtasche ihrer Jeans.
    »Hallo, hier ist Anne vom BR. Ich hoffe, ich störe dich nicht gerade bei etwas Wichtigem?«
    »Ich stecke mitten im Kampf gegen das organisierte Verbrechen.« Lotti ließ erneut das Fallbeil ihres Spatens auf einen ahnungslosen Delinquenten niedersausen. »Aber für dich Darling, bin ich bereit, das mal kurz zu unterbrechen.«
    »Meinst du den Prozess gegen die rumänische Autoschieberbande?«
    »Ich meine Schnecken. Sie sind eine echte Plage und haben gerade meinen Blumengarten heimgesucht.« Sie rammte den Spaten kraftvoll ins Beet, damit er stehenblieb, und ging zu ihrem Liegestuhl.
    »Ach, du Arme«, sagte Anne mitleidig, »ich wusste gar nicht, dass du gärtnerst.«
    »Gartenarbeit ist Kontemplation. Ich brauche das als Ausgleich zu meinem Job. Wenn ich mich mit der Schönheit von Blumen umgebe, vergesse ich die Abgründe der menschlichen Seele, in die ich fast täglich im Gerichtssaal blicke.« Sie setzte sich und schaute blinzelnd auf das zerfressene Beet in der Sonne. »Aber ab heute herrscht hier Krieg.«
    »Kann ich dich etwas fragen? Es geht um die Morde auf dem Reichsparteitagsgelände.«
    »Ich weiß zwar nicht, wie ich dir da helfen kann, denn für mich beginnt die Berichterstattung erst dann, wenn die Täter geschnappt sind und es zur Verhandlung kommt. Aber schieß los.« Sie schob die Sonnenbrille von ihrem roten Haar auf die Nase und lehnte sich erwartungsvoll in ihrem Liegestuhl zurück.
    »Hast du die Berichterstattung über die Morde verfolgt?«
    »Selbstverständlich. Ich lese die Zeitung, für die ich schreibe, auch. Und manchmal höre ich sogar dich im Radio. Gessner ist tot und ein junger Neonazi aus Spardorf oder so auch.«
    »Aus Baiersdorf. Er heißt Sebastian Kunz. Ist er dir schon mal untergekommen bei Gericht?«
    Lotti zündete sich eine Zigarette an und sog genüsslich den Rauch ein. »Kunz, Kunz … kann schon sein. Bei so einem Allerweltsnamen ist es schwer, sich zu erinnern.«
    »Sagt dir der Name Daniel Gerstenberg etwas? Der gehört auch zur hiesigen Neonaziszene.«
    »Ja klar, den kenne ich. Der zählt zu Gessners engstem Kreis. Ein richtig schmuckes Bürschchen mit langen Haaren ist das, nicht unintelligent, aber völlig verblendet. Macht einen auf smarter, guter Nazi. Ist aber ähnlich gewalttätig wie ein Skinhead, nur raffinierter. Wie hieß der andere Neonazi noch mal?«
    »Sebastian Kunz aus Baiersdorf. Gelernter Polsterer. Arbeitslos.«
    »Natürlich, jetzt fällt es mir ein!«, rief Lotti und verlor dabei ihre Zigarette aus dem Mundwinkel. Blitzschnell sprang sie auf, so dass die glimmende Kippe aus ihrem Schoß auf die Terrassenfliesen fiel. Weder Jeans noch T-Shirt hatten einen Brandfleck abbekommen.
    »Ist was passiert?«, fragte Anne besorgt. Die Gerichtsreporterin hob die Zigarette wieder auf und rauchte weiter.
    »Alles in Ordnung. Sie brennt noch.«
    »Wer brennt?« Anne verstand nur Bahnhof.
    »Meine Zigarette.«
    »Schön für dich, Lotti«, sagte Anne leicht verwirrt. »Aber hattest du nicht gerade einen Einfall?«
    »Ja, ich kenne diesen anderen Neonazi doch. Gerade ist es mir wieder eingefallen. Gerstenberg und Kunz standen erst im März vor Gericht, zusammen mit zwei weiteren Gesinnungsgenossen. Der Prozess war nur zum Teil öffentlich, weil für einen von ihnen noch das Jugendstrafrecht galt.« Lotti ging wieder ans Beet zurück und entdeckte eine Schnecke an der letzten noch halbwegs anständig aussehenden Tagetes.
    »Und worum ging es?«, fragte Anne aufgeregt. Sie spürte, dass dies das fehlende Glied in der Kette war.
    »Ich war nie drin, weil zeitgleich der große Korruptionsprozess lief. Soweit ich weiß, soll das Quartett vergangenen Herbst in Langwasser einen Pakistani zu Tode gehetzt haben. Aber das Verfahren wurde aus Mangel an Beweisen eingestellt.«
    Und damit bückte sie sich und drückte ihre Zigarette halb angeekelt, halb triumphierend in den Feind, dass es nur so zischte.

 
    Lacrymosa dies illa
    Tag der Tränen, Tag der Wehen
     
    10. Kapitel: Montag, 29. April
    Ein Copyshop, ein türkischer Gemüseladen, ein Billig-Discounter, ein Döner-Stand, eine Bäckerfiliale, ein Designgeschäft mit Filzartikeln, eine Lottoannahmestelle, noch ein Döner-Laden. Frank Beaufort, zu dessen bevorzugten Vierteln Gostenhof nicht gerade zählte, spazierte die Fürther Straße stadtauswärts und suchte das Café Regina , in dem er Ekki um zehn Uhr treffen sollte. Er hatte den Justizsprecher

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