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Requiem

Requiem

Titel: Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kruse
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Frauen rufen um Hilfe, und tatsächlich kommt auch jemand. Zwei Asylbewerber aus Pakistan, einer 25 und einer 31 Jahre alt, wagen sich dazwischen. Dann wird es tätlich. Der ältere der beiden Männer wird sofort angegriffen und zu Boden geschlagen, dann geht das Quartett auf den zweiten Pakistani los. Einer der Neonazis soll ein Messer in der Hand gehabt haben. Der jüngere Pakistani läuft davon und die Vier hinterher. Doch allzu lange dauert die Verfolgungsjagd nicht, denn in seiner Todesangst rennt er blindlings auf die Glogauer Straße, einer 52-jährigen Autofahrerin direkt vor die Kühlerhaube. Die konnte überhaupt nichts mehr machen. Der Pakistani wird mehrere Meter durch die Luft geschleudert und verblutet auf dem Asphalt.«
    »Schrecklich. Und so was passiert in unserer weltoffenen Stadt.«
    »Nach allem, was ich bislang über die Rechtsextremisten-Szene gelernt habe, bin ich mir sicher, dass das in jeder deutschen Stadt passieren könnte.«
    Ertl löffelte sein Müsli. Und Beaufort bestellte bei der vorbeilaufenden Barbara noch einen Tee. Mittlerweile waren auch andere Gäste in das Café gekommen: ein zeitungslesender Rentner vor einem Kakao, vier Studentinnen von der Evangelischen Fachhochschule gleich um die Ecke, ein asiatisches Pärchen.
    »Und wie lief der Prozess gegen die Vier ab?«, nahm Beaufort das Gespräch wieder auf.
    »Schon die Ermittlungen gestalteten sich schwierig. Die Sudanesinnen verweigerten verängstigt die Aussage. Der angegriffene Pakistani belastete die Vier natürlich. Das tat auch ein Anwohner, der von seinem Balkon aus die Auseinandersetzungen verfolgt hat. Die Belästigungen der beiden Frauen und das Verprügeln des einen Asylbewerbers sind also belegt. Aber schon das gezückte Messer ist zweifelhaft, weil der Nachbar eigentlich zu weit weg stand. Er sagte, er habe bemerkt wie etwas Messerähnliches aufblitzte. Danach sah er zwar den jüngeren Pakistani weglaufen und die Neonazis die Verfolgung aufnehmen, doch alles Weitere entzog sich seinem Blickfeld.«
    »Gibt es sonst keine Zeugen von der Hetzjagd?« Beaufort biss in seinen Toast und kleckerte mit der Orangenmarmelade.
    »Merkwürdigerweise keinen einzigen.«
    »Hat die Polizei sich nicht richtig reingehängt in den Fall?«
    »Das kann ich dir nur aufgrund der Aktenlage nicht sagen.«
    »Und was ist mit der Frau, die den Verfolgten überfahren hat?« Beaufort rieb mit einer Serviette an seinem klebrigen Jackett. »Die muss doch was gesehen haben?«
    »Die war natürlich fix und alle, kannst du dir ja vorstellen, und stand unter Schock. In ihrer ersten Aussage hieß es noch, dass sie eine Gruppe junger Männer am Gehsteig bemerkt hatte. Später hat sie das dann widerrufen. Womöglich haben das Quartett oder deren Mittelsmänner die Fahrerin unter Druck gesetzt.«
    »Wahrscheinlich auch noch weitere Zeugen. Zum Beispiel die beiden Sudanesinnen.« Beaufort versuchte der Bedienung ein Zeichen zu geben, da er immer noch auf seinen Tee wartete.
    »Da könntest du recht haben. Aber es ist sehr schwer zu beweisen.«
    »Und wie lief denn nun der Prozess ab?«
    »Schlecht.« Ertl trank von seinem grünen Tee.
    »Habt ihr die Vier wegen Mordes angeklagt?«
    »An eine Mordanklage oder eine wegen Totschlags war nicht mehr zu denken. Körperverletzung mit Todesfolge lautete schließlich die Anklage. Aber auch das war ziemlich wackelig. Denn die vier haben den Mann ja noch nicht mal angefasst. Und das wichtigste ist: Es gibt keinen Beweis dafür, dass der Pakistani auch wirklich wegen der Neonazis auf die Straße gerannt ist. Die vier haben im Prozess zwar zugegeben den Mann verfolgt zu haben, weil der sie angeblich verbal beleidigt hatte, dann aber ausgesagt, die Verfolgung schon nach kurzem abgebrochen zu haben.«
    »Das ist doch eine satte Lüge«, warf Beaufort ein.
    »Aber vor Gericht gelten keine Wahrscheinlichkeiten, sondern Fakten. Im Zweifel für den Angeklagten ist immer noch eine unserer wichtigsten Rechtsgrundsätze, auch wenn es nicht immer leicht fällt. Richter Schmidt musste die vier Angeklagten aus Mangel an Beweisen freisprechen. Er hatte gar keine andere Wahl.« Ekki schob seine leere Müslischale beiseite, beugte sich nah zu Beaufort hinüber und sagte leise: »Unter vier Augen gesprochen: Der Prozess war nicht sehr sorgfältig vorbereitet. Und dann schieben die uns auch noch den Hauptbelastungszeugen, den anderen pakistanischen Asylbewerber, drei Wochen vor Beginn der Verhandlung in sein Heimatland ab.«
    »Das ist

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