Requiem
süffisant den Mundwinkel hochziehend, »solltest du halt weniger trinken.«
*
Dass es in der Stadt ein Friedensmuseum gab, davon hatte Beaufort keine Ahnung gehabt. Aber als Museumsbesucher würde er noch am ehesten durchgehen, also beschloss er dort mit seinen Recherchen anzufangen. In der Touristinformation am Rathaus kannte man das Museum offenbar auch nicht besonders gut, es dauerte ein wenig bis er die Adresse erhielt. Dabei lag es gar nicht so weit weg, ein paar hundert Meter hinter der Burg in einer Abzweigung von der Pirckheimer Straße, irgendwo zwischen Staatsarchiv und Oberfinanzdirektion, so dass Beaufort sich entschloss, dorthin zu spazieren.
Die Kaulbachstraße entpuppte sich als durchaus geeignetes Umfeld für ein Museum, das dem Pazifismus geweiht war. Es gab dort einen Bio-Supermarkt, eine Praxis für Feldenkrais und Bewegungspädagogik, den Kinderhort Die Pfifferlinge , ein weiteres Naturkostgeschäft mit Namen Der grüne Laden und gleich um die Ecke eine Dependance der Lebenshilfe . Das großartig klingende Friedensmuseum Nürnberg entpuppte sich allerdings als sehr überschaubar. Es war in einem schuppenähnlichen Hausanbau untergebracht, bestand aus einem nicht sehr großen Ausstellungsraum mit zwei größeren Fenstern, wurde von einem eingetragenen Verein betrieben und war nur ein paar Stunden pro Woche geöffnet. Im Moment war natürlich geschlossen. Beaufort spähte durch die Scheiben und erkannte lauter Friedensplakate.
»Na, suchen Sie ihr Pferd?« Beaufort drehte sich um und sah in das schalkhafte Gesicht einer schlanken Frau Mitte 50 mit langem dunkelgrauem Haar, in das bunte Bänder geflochten waren. »Da haben Sie nämlich Pech. Das war zwar mal ein Stall, aber meines Wissens wurden darin nur Hühner gehalten.« Die Frau trug einen langen bunten Flatterrock und bestickte Stiefeletten. Sie sah aus wie eine Indianerin, eine mit einem fränkischen Zungenschlag.
»Mit Pferden kennen Sie sich bestimmt aus, wenn Sie abends heim in Ihr Tipi reiten«, konterte Beaufort. Wenn das weiter so ging mit den blöden Pferdesprüchen, musste er sich mal eine originelle Antwort zurechtlegen.
»Eins zu eins«, lachte die Frau und zeigte dabei sehr schöne Zähne. Sie schloss die Tür des Museums auf. »Darf die Squaw den Lord hereinbitten? Es ist zwar nicht geöffnet heute, aber schauen Sie sich gern um.«
Beaufort folgte der Einladung und sah sich die Ausstellung an, während die Frau in der kleinen Küche ein paar Einkäufe verstaute und die Kaffeemaschine anwarf. Es waren internationale Plakate der 80er Jahre, die alle auf das Ost-West-Wettrüsten und den NATO-Doppelbeschluss Bezug nahmen. Es dominierten Friedenstauben, Sonnenblumen, Raketen, Atompilze und biblische Zitate wie »Schwerter zu Pflugscharen«. Kunstgeschichtlich gab das wenig her, aber politikhistorisch war es interessant, denn hier wurde eine Hochzeit der Friedensbewegung in Deutschland dokumentiert. Auch Beaufort war damals als Oberstufenschüler ein wenig davon angesteckt worden und hatte sogar einmal an einer Wackersdorf-Demonstration teilgenommen. Doch war das eher zufällig gewesen, hauptsächlich wohl, damit er mitreden konnte. Das soziale Gewissen und die ethische Verantwortung der Friedensfreunde waren ihm immer sympathisch gewesen, aber ihre politische Naivität und ihr missionarisches Mahnen hatten ihn eher befremdet. Im Grunde glaubte Beaufort nicht an das Prinzip Weltverbesserung.
»Möchten Sie auch einen Milchkaffee?«
Beaufort schaute von einem Flyer hoch, der übermorgen vor der Lorenzkirche zur Anti-Nato-Demonstration aufrief. »Gern.«
»Kommen Sie zur Erster-Mai-Demo?«, fragte die Frau freundlich und reichte ihm einen vollen Becher.
»Ich glaube kaum«, antwortete Beaufort ehrlich.
»Das habe ich mir gedacht. Sie suchen hier nach etwas anderem.«
Er war verblüfft über ihre Direktheit. »Da liegen Sie richtig. Ich versuche die Morde auf dem Reichsparteitagsgelände aufzuklären.«
Das schien ihr als Begründung zu genügen. »Ist es nicht schrecklich, was da passiert ist? Diese ewige Spirale der Gewalt. Das führt doch zu nichts. Diese armen Menschen. Aber wollen wir uns nicht hinaussetzen? Es ist so ein schöner Frühlingstag.«
Beaufort folgte ihr auf die kleine Terrasse, wo sie sich auf wackeligen Gartenstühlen niederließen. Im großen Hof spielten ein paar Kinder Verstecken.
»Ich bin ein bisschen erstaunt über Ihre Reaktion. Mitleid mit Neonazis hätte ich hier nicht gerade erwartet«,
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