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Requiem

Requiem

Titel: Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kruse
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ankommenden Straßenbahn drang an sein Ohr. Sie hielt an, und Beaufort stieg hinter einem schon etwas zittrigen Rentner-Ehepaar ein. Von drinnen beobachtete er die Haltestelle genau und bemerkte, wie der Kerl in der schwarzen Lederjacke kurz vor der Abfahrt in den hinteren Waggon sprang. War das Zufall oder war der Typ hinter ihm her? Beaufort stellte sich hinter einen dicken Mann, so konnte er halb verborgen ungestört hinüberschauen. In der ruckenden Straßenbahn nahm der aber keine Notiz mehr von Beaufort, sondern telefonierte auf seinem Handy. Natürlich! Jetzt erkannte er ihn wieder. Das war der Mann, der ihm schon bei Wolf-Dieter am Weinmarkt aufgefallen war. War der ihm etwa schon den ganzen Nachmittag gefolgt? Beaufort überlegte, was er tun sollte. Er könnte jetzt bis zum Plärrer oder noch besser bis zum Hauptbahnhof fahren, und versuchen, seinen Verfolger dort im Gewühl abzuschütteln. Aber das würde ihn mindestens eine halbe Stunde kosten, und er wollte Anne nicht warten lassen, auch wenn sie einen Wohnungsschlüssel hatte. Beaufort suchte in seinen Jacketttaschen, aber er hatte mal wieder sein Handy vergessen. So konnte er weder Anne noch Ekki anrufen und um Rat fragen.
    Mit einem Mal kam ihm die ganze Situation albern und lächerlich vor. Wer sollte schon hinter ihm her sein? Von einem möglicherweise nur eingebildeten Verfolger wollte er sich sein Verhalten nicht aufzwingen lassen. Er wollte heim, und zwar bevor der große Regenguss kam. Mittlerweile war es bedrohlich dunkel geworden und Windstöße ließen die Scheiben der Straßenbahn vibrieren.
    Am Hallertor stieg Beaufort aus und bog in die Altstadt ein. Am Fuße der Stadtmauer schaute er sich kurz um: Auch der Bursche in der Lederjacke war ausgestiegen und folgte ihm in etwa 50 Meter Entfernung. Über der Pegnitz sah Beaufort sein Haus aufragen. Anne musste schon da sein, denn die beiden oberen Stockwerke waren erleuchtet. Darüber drohte die schwarze Wolkenwand. Ein Blitz flammte auf und unmittelbar darauf ertönte ein Donnerschlag. Beaufort eilte über den Kettensteg. Er war schon fast über den Fluss, als er sich noch einmal umdrehte: Sein Verfolger betrat erst jetzt die Brücke. Der würde ihn nicht mehr einholen.
    Als er erleichtert am Ende des Kettenstegs die Stufen hinunterging, lösten sich zwei kräftige Männer aus dem Dunkel der Stadtmauer. Der eine war ein Skinhead wie aus dem Bilderbuch mit Glatze, Bomberjacke und Springerstiefeln, der andere war ganz in Schwarz gekleidet, unter seiner offenen Jacke trug er ein olivgrünes T-Shirt mit der Aufschrift »nsdap«. Die beiden packten ihn unter den Armen und zogen ihn mit sich in den dunklen Durchgang der dicken Stadtmauer. Innerhalb weniger Sekunden waren die drei darin verschwunden. Beaufort war viel zu konsterniert, um sich zu wehren, und ließ sich von den Neonazis in den Burggraben hinunterschleppen.
    Dort warteten zwei weitere junge Männer und rauchten. Der eine hatte lange dunkle Haare und ein Palästinensertuch um den Hals, der andere trug eine FCN-Kappe auf dem weißblonden Schopf und ein braunes T-Shirt, auf dem »Germanischer Gotteskrieger« stand. Es waren Daniel Gerstenberg und Daniel Tronka, zu denen er gebracht wurde.
    »So sieht man sich wieder«, sagte Beaufort aufgeräumt, als treffe er gerade zwei alte Bekannte auf der Straße. »Ich hoffe, bei Ihrem Sturz in Hersbruck neulich haben Sie den armen Hund nicht verletzt«, wandte er sich höhnisch an Gerstenberg.
    »Schnauze!«, schrie Tronka, der wohl der Wortführer des Quartetts war, das sich gerade zu einem Quintett vereinigte, denn der Verfolger in der Lederjacke hatte sich mittlerweile dazugesellt. »Du redest nur, wenn du gefragt wirst, verstanden? Was hast du überhaupt an Heinrichs Haus zu Suchen gehabt?«
    »Ich wollte mir die Woody-Allen-Filme zurückholen, die ich ihm geliehen hatte. Aber ich erinnere mich nicht, dass wir schon Brüderschaft miteinander getrunken hätten, Herr Tronka.«
    »Er kennt meinen Namen. Das ist das Schwein«, schrie der Angesprochene und stürzte sich wütend auf Beaufort. Der steckte so fest in der Zange seiner Begleiter, dass er nicht ausweichen konnte. Doch im letzten Moment rissen Gerstenberg und der Kerl in der Lederjacke Tronka zurück. Wieder entlud sich die elektrostatische Energie der Wolken in Blitz und Donner.
    »Das bedeutet noch gar nichts, wenn er deinen Namen kennt. Vielleicht ist der Typ ja auch vom Verfassungsschutz«, redeten sie auf ihn ein.
    Erst jetzt ging

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