Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Requiem

Requiem

Titel: Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kruse
Vom Netzwerk:
nahm Beaufort das Gespräch wieder auf.
    »Diese Mordtaten sind absolut verabscheuungswürdig, egal an wem sie begangen wurden. Gewaltfreiheit ist eine Grundmaxime unseres Vereins. Ich persönlich finde selbst das Tieretöten pervers, deshalb bin ich auch Vegetarierin. Ich bin überzeugt davon: Eine Gesellschaft, die in solchen Massen Tiere schlachtet, ist anfällig für die ewige Wiederkehr des Holocaust.«
    Beaufort dachte über diese gewagte These nach. Die Massentierhaltung war wirklich ein Problem. Andererseits aß er aber viel zu gern Fleisch. Er brauchte nur an den leckeren Presssack zu denken, der zum Abendessen auf ihn und Anne wartete. Und irgendwie glaubte er daran, dass die Schweine in Gößweinstein glückliche Schweine waren. Doch er musste zu seinem Thema zurück.
    »Mir ist auch schon unverhohlene Zustimmung zu den Morden begegnet, frei nach dem Motto: Das trifft ja keine Unschuldigen.«
    »Mir auch. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, was ich mit meinem Sohn deshalb schon für Diskussionen geführt habe. Er ist unter anderem beim Antifaschistischen Aktionsbündnis aktiv und fährt jeden Monat zur Gegendemo raus nach Gräfenberg, wenn dort die Rechtsextremen vor dem Kriegerdenkmal aufmarschieren. Er und seine Kumpel sind regelrecht euphorisiert. Für sie ist der Mörder eine Art Held. Grauenhaft.«
    »Es ist bestimmt nicht leicht, Kinder großzuziehen«, sagte Beaufort mitfühlend.
    »Das können Sie laut sagen, besonders wenn man alleinerziehend ist. Ich dachte mir früher immer, das Schlimmste was mir passieren kann, ist dass mein Sohn in die Junge Union eintritt. Aber wenn er Mördern applaudiert, ist das noch übler. Dabei habe ich ihn gewaltfrei erzogen.«
    Beaufort trank einen Schluck Kaffee. »Meinen Sie, ich könnte mal mit Ihrem Sohn reden? Ich interessiere mich für die autonome Szene.«
    Sie sah ihn nachdenklich an. »Warum nicht? Vielleicht haben Sie als Mann ja einen positiven Einfluss auf Ihn.« Sie rief eines der spielenden Kinder im Hof. »Esmahan, kannst du bitte mal rübergehen und den Frieder holen? Hier ist jemand, der mit ihm sprechen möchte.« Das Nachbarmädchen verschwand. »Er lernt nämlich gerade fürs Abitur. Da wird ihm jede Unterbrechung recht sein. Wie heißen Sie eigentlich? Von der Polizei sind Sie jedenfalls nicht.«
    Beaufort stellte sich vor und erklärte ihr, warum er in diesem Fall Nachforschungen anstellte. Dann unterhielten sie sich über das Friedensmuseum und die gewaltfreien Projekte, die der Verein unterstützte. Die Frau gefiel ihm. Sie hatte so etwas unverstellt Direktes. Und dass sie sich so für ihre Ideale einsetzte, flößte ihm Respekt ein. Er nahm sich vor, dem Museum gleich morgen eine Spende zu überweisen.
    »Bin da«, sagte ein schlaksiger 18-Jähriger mit schwarzgefärbten Haaren und asymmetrischen Schnitt. Er gab seiner Mutter einen Kuss und setzte sich neugierig. Er trug Turnschuhe, kunstvoll zerrissene Jeans und ein T-Shirt, auf dem zwei Eier abgebildet waren. »Braunes Pack in den Sack«, stand darunter geschrieben.
    »Das ist Herr Beaufort. Er recherchiert gerade wegen der Morde an den Neonazis. Und das ist mein Sohn Frieder«, stellte sie die beiden einander vor. »Magst du auch einen Kaffee? Dann hole ich dir einen.«
    Sie verschwand mit schwingendem Rock im Museum. Frieder hatte das gleiche schalkhafte Lächeln wie seine Mutter. Er sah Beaufort grinsend an und machte den Mund auf, um etwas zu sagen.
    »Bitte nicht noch eine witzige Frage nach meinem Pferd«, beeilte er sich dem Jungen zuvorzukommen. »Interessanter als mein Tweedanzug ist doch dein T-Shirt. Du hast es selbst kreiert, nehme ich an?«
    Frieder schaute ihn verblüfft an. »Stimmt. Wie haben Sie das denn erkannt? Ich hab’s mir erst am Wochenende gemacht.«
    »Sind die Eier jetzt das Antifa-Symbol, um Sympathie für den Neonazi-Mörder auszudrücken?« Beaufort hatte sich an den Bild -Zeitungsartikel erinnert, der vom Eiermörder sprach.
    »Jetzt bin ich aber echt beeindruckt. Ich dachte, das würden nur ein paar Insider verstehen.«
    »Wahrscheinlich hast du gemeint: Was die Neonazis können, kann ich auch, und deine eigenen Geheimzeichen entwickelt. Deine Mutter wäre bestimmt nicht begeistert, wenn sie wüsste, was das bedeutet.«
    »Bitte, erzählen Sie ihr nichts davon. Die regt sich nur wieder auf.«
    Die Frau kam mit noch einem Becher, der Kaffeekanne und einer Keksschale zurück.
    »Ich kann schweigen«, sagte Beaufort leise und zwinkerte Frieder zu.
    »Danke«,

Weitere Kostenlose Bücher