Rescue me - Ganz nah am Abgrund
verdonnert. Das hatte er nun davon.
„Interessante Aussage!“, meinte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. Dann stellte sie ihren Orangensaft zur Seite und nahm ihn genauer unter die Lupe. Musterte ihn mit ihrem Röntgenblick, bis er dieses fiese Gefühl hatte, sie kehrte sein Innerstes nach außen.
„Moment. Du … du bist verliebt!“, rief sie aus und nahm ihm sein Schälchen weg. „Lass die Flakes stehen, du hast sie völlig versalzen. Merkst du nicht, wie eklig das schmeckt?“
Versalzen? Wäre ihm niemals aufgefallen. Ryan schluckte den letzten Löffel runter und sah auf die Tischplatte. Er wollte jetzt keine Fragestunde, wollte es noch eine Weile für sich behalten. „Oh, Mom, ehrlich, wie kommst du darauf?“, versuchte er ihren Verdacht zu zerstreuen.
Doch seine Mutter kannte keine Gnade.
„Na, raus mit der Sprache!“, unterbrach sie ihn. „Wer ist es? Du brauchst es nicht leugnen, ich bin deine Mutter. Ich kenne dich besser, als du dich. Und der Anblick, wie du zentnerweise Salz in deine Flakes schüttest und sie ohne mit der Wimper zu zucken runterschlingst, sagt mir alles. Also?“
Verlegen spielte Ryan mit dem Löffel herum. Was sollte er sagen? Genau wie sein Dad wusste sie, dass er mit Mädchen nichts anfangen konnte. Sie tat sich etwas schwerer damit, von wegen keine Enkelkinder und so, doch letztlich fand sie sich damit ab. Aber was würde sie sagen, wenn er ihr mitteilte, er sei ausgerechnet in Tyler verknallt?
Noch immer gab er keine Antwort. Stattdessen erhob er sich und holte eine neue Schale aus dem Schrank.
„Lenk nicht ab! Wen hast du kennengelernt? Und wo?“, bohrte sie weiter, während er sich eine neue Portion Cornflakes nahm. „Du hockst doch von früh bis spät bei Peg in der Garage, da … Oh nein!“ An ihrer entsetzten Miene konnte er es genau erkennen. Sie hatte eins und eins zusammengezählt – und Tyler herausbekommen.
Verdammt, sie war echt gut!
„Oh Schätzchen … Tyler? Wirklich?“ Jetzt musterte sie ihn, besorgt, liebevoll – der typische Mutterblick. Bereit, ihm alle Probleme umgehend vom Hals zu schaffen. Doch hierbei konnte sie ihm nicht helfen.
Mit der Milch aus dem Kühlschrank setzte er sich wieder auf seinen Platz. „Mom! Bitte! Nenn mich nicht immer ‚Schätzchen‘! Ich bin fast achtzehn, nicht acht!“
Für einen Moment war nur das Knistern der Flakes zu hören, als er die Milch darüber goss.
„Sch… Ryan … Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll“, setzte sie an. „Ist er auch …?“
„Sag am besten gar nichts, okay?“, fiel er ihr ins Wort. „Tyler … er … wie soll ich es dir erklären? Er ist nicht so, wie du denkst. Hinter seiner gruseligen Fassade ist er einsam und sehr sensibel. Außerdem macht er gerade eine Veränderung durch.“ Vehement nahm er Tyler in Schutz, als er sah, wie seine Mutter Einwände erheben wollte. „Bitte Mom. Es ist meine Sache, oder? Ich fühle so etwas … zum … zum ersten Mal!“ Mit hochrotem Gesicht funkelte er sie warnend an. „Und wenn es Tyler ist, dann … dann ist es eben Tyler.“
Sprach’s und begann, sich die Cornflakes rein zu schaufeln. Er hatte zwar keinen Hunger mehr, doch mit vollem Mund brauchte er nicht antworten, wenn sie gleich in den Diskussionsmodus startete. Jedenfalls nicht sofort.
Aber seine Mutter überraschte ihn. „Na, wenn das so ist …“ Sie lächelte, tätschelte kurz seine Wange und griff nach ihrem Kaffeebecher. Trank einen Schluck. Und noch einen – dann ließ sie die Bombe platzen.
*
Ohne große Begeisterung schob Ryan den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Hüttentür. Anschließend wuchtete er die beiden großen Taschen herein. Es war heiß und stickig in der kleinen Hütte, und bevor er irgendetwas anderes tat, riss er sämtliche Fenster im Wohn- und Küchenbereich auf.
„Verdammte Hitze!“, brummelte er gereizt vor sich hin. „Wer will schon gerne in einem Backofen hausen!“
Es war zum Auswachsen.
Anscheinend hatte seine Mom schon vor einiger Zeit beschlossen, ein paar Tage in Onkel Phils Angelhütte zu verbringen. Im Büro sei jetzt im Augenblick nicht viel zu tun, hatte sie gemeint und ein paar Dinge eingepackt. Sofort nach dem aufschlussreichen Frühstück ging’s los.
Es wäre ja nicht so schlimm gewesen, er gönnte ihr den Urlaub. Doch sie hatte entschieden, dass auch er mitkommen musste. So sehr er sich auch dagegen wehrte, egal, was er sagte, sie ließ sich nicht erweichen. Bestand auf ‚Mutter und Sohn Urlaub‘,
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