Rescue me - Niemand wird dich schützen
Sessel, der ein gutes Stück entfernt vom Bett stand. Eden holte tief Luft. Endlich
hatte sie wenigstens einen Anflug von Kontrolle zurückgewonnen. Wenn er zu nahe war, wusste sie nie, was sie sagen oder wie sie reagieren würde. Das war einer der Gründe, weshalb sie mit der Nachricht herausgeplatzt war. Ein anderer war weit einfacher und noch viel egoistischer. Sie wollte schlicht seine Aufmerksamkeit von sich selbst ablenken.
Was auch funktionierte, allerdings nicht so, wie sie gehofft hatte. Jordans sonnengebräuntes Gesicht wurde sehr blass, seine Augen wirkten leer, gequält, wie die eines Mannes, der soeben eine entsetzliche Nachricht erhalten hat.»Es tut mir leid, Jordan. Ich weiß, dass du auf ein anderes Ergebnis gehofft hast. Ich wünschte …«
»Wo ist sie begraben?«
»Wa… Was?«
»Ich möchte sehen, wo sie beerdigt wurde, mit den Leuten reden, die in den letzten Stunden ihres Lebens bei ihr waren. Wer waren sie, haben sie Devon gut gekannt, war sie einsam? Ich muss mir selbst ansehen, wie ihre letzten Tage aussahen.«
»Jordan, ich bin nicht sicher … Die Leute, die mit meiner Quelle gesprochen haben … sie wollen unbedingt ihre Privatsphäre wahren … Ich weiß nicht, ob ich …«
Er sprang aus dem Sessel und riss die Schranktür auf. »Dann fahre ich hin und überrede sie, mit mir zu sprechen.«
Panik und Schuldgefühle regten sich in ihr. »Was machst du?«
»Ich packe. Ich muss sofort in die Staaten zurück.«
»Warte. Es ist schon spät. Wir fahren gleich morgen früh. Heute Nacht können wir nichts mehr ausrichten, und die Fahrt ist viel zu weit.«
Mit einem Fluch schleuderte Jordan seine Reisetasche auf den Boden. »Du hast recht.« Er sah auf seine Uhr. »Aber ich kann mir schon einen Flug für morgen Abend buchen. Morgen bringe ich dich nach Hause, sehe mir deine Akte an, und danach fliege ich.«
Die Tür knallte hinter ihm zu, ehe sie überhaupt registriert hatte, dass er das Zimmer verlassen hatte.
Eden fiel aufs Bett zurück, vollkommen schockiert von dem, was gerade geschehen war. Jordans Reaktion war völlig anders gewesen, als sie erwartet hatte. Gott, was hatte sie nur getan?
Die Antwort brannte wie Säure in ihrem Magen. Sie hatte zugelassen, dass ihr Schmerz ihre Vernunft und ihren Anstand übertrumpfte.
Was sollte sie machen? Wenn sie jetzt zugab, dass sie gelogen hatte und Devon nicht tot war, würde er sie hassen. Wenn sie ihm dann auch noch erzählte, dass sie selbst Devon war, würde sein Hass umso stärker sein.
Und ließ sie ihn die Lügen einfach glauben, würde er in die Staaten fliegen und dort die Wahrheit herausfinden.
Eden verachtete sich wie nie zuvor.
Mit bleiernen Beinen schlurfte sie ins Bad. Nach ihrem Weinkrampf vorhin brannten ihre Augen, als wären sie voller Sand. Sie putzte sich die Zähne, zog ihr Nachthemd an und ließ sich danach erschöpft ins Bett fallen. Wie seltsam. Dieser Abend hatte damit begonnen, dass sie Jordan hasste, weil er ihr seine Verlobung verschwiegen hatte. Und jetzt, wenige Stunden später, schien diese Sünde gar kein solch schlimmes Vergehen mehr. Er hatte ihr nie irgendetwas versprochen, hatte ihr durch nichts angedeutet, dass er mehr als Spaß und atemberaubenden Sex wollte.
Sie war diejenige, die diese Märchenwelt konstruiert hatte … genau wie damals.
Ganz gleich, was Jordan gemacht hatte oder nicht, er verdiente nicht, was sie ihm antat.
Auf einmal war ihr völlig klar, was sie tun musste. Für Jordan und sie gab es keine Hoffnung; das war offensichtlich. Aber noch hatte sie eine Chance, sich einen Rest Selbstachtung zu bewahren, sich als ein etwas besserer Mensch zu erweisen. Zwar käme es für sie einer qualvollen Selbstkasteiung gleich, aber sie schwor sich, ihm alles zu sagen, wenn er zurückkam.
Minuten oder Stunden vergingen. Eden wusste nicht, wie viel Zeit verstrich, bis sie fühlte, wie die Matratze leicht nachgab. Dann strich eine Hand ihren Schenkel hinauf, streichelte ihre Hüfte … und ihren Bauch.
»Mmm. Jordan«, flüsterte sie schläfrig.
Heißer Atem strich über ihr Gesicht, als er es mit Küssen bedeckte, bevor seine Lippen ihre streiften. »Lass mich dich lieben, Eden.«
Prompt schaltete sie ihr Gewissen ab und folgte ihrem Gefühl. Sie öffnete den Mund, um seinen Kuss zu empfangen. Dies war ihre letzte, ihre einzige Chance, ihn zu haben, das letzte Mal, dass sie ihm zeigen konnte, wie viel er ihr bedeutete. Eine letzte Gelegenheit, mit ihm eins zu sein, ihm zu gehören.
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