Rescue me - Niemand wird dich schützen
Worte zu finden, ehe wir in der Stadt ankommen.
Vier Stunden später öffnete Eden ihre Wohnungstür, und Jordan folgte ihr hinein. Auf der Rückfahrt hatten sie so gut wie gar nicht geredet. Sie hatte es wirklich versucht, aber Jordan würgte sie jedes Mal ab. »Nicht jetzt … später« oder »Mir ist im Moment nicht nach Reden«, hatte er gesagt, und so gab sie es schließlich auf.
Aber jetzt waren sie hier, und Eden würde ihn nicht gehen lassen, ehe er alles erfahren hatte.
»Jordan, wir müssen wirklich reden.«
»Hol mir die Akte.«
»Warte … bitte.«
»Die Akte. Sofort.«
Sie hatte seine Stimme noch nie so hart, beinahe grausam erlebt. Ihr wurde eiskalt. Nein, sie hatte ihn sehr wohl
schon einmal so erlebt, und zwar vor sieben Jahren. Damals hatte Jordan genauso geklungen.
Ihre Bewegungen wurden linkisch und unkoordiniert, als sie zum Schreibtisch ging und die Akte herausnahm, die sie schon vor Wochen vorbereitet hatte. Sie brachte sie ihm, wobei sich ihre Beine wie von Zementblöcken beschwert anfühlten.
»Bevor du sie liest, muss ich dir sagen …«, begann Eden und verstummte, denn er drehte sich wortlos um und verließ ihre Wohnung.
Täusche mich einmal, Schande über dich. Täusche mich zweimal, Schande über mich. Und was für ein Jammer, dass er solch ein dämlicher Idiot war. Alles passte zusammen, aber er hatte jeden einzelnen Hinweis geflissentlich ignoriert.
Jordan blickte ein letztes Mal auf die Akte, die Eden ihm gegeben hatte, ehe er sie quer durchs Zimmer schleuderte. Ihm war gleich, was damit passierte. Jede einzelne Silbe darin war gelogen. Er hatte sie gründlich gelesen, und sie war gut gemacht, verdammt gut. Eine verflucht gute Fälschung.
Wie in aller Welt konnte er das nochmals geschehen lassen? Ein Mann, der sein ganzes Leben lang mit Täuschung und List vertraut war, wurde zweimal von derselben Frau aufs Kreuz gelegt. Es wäre zum Brüllen komisch, würde er sich nicht wie ein kompletter Idiot vorkommen.
Er sollte nicht wütend auf sie sein. Sie hatte ihre Chance gesehen, es ihm heimzuzahlen, und sie ergriffen. Und wie sie es ihm heimgezahlt hatte! Mit Zins und Zinseszins.
Sie war gut, das musste er ihr lassen. Noah ebenfalls. Er hatte es die ganze Zeit gewusst und mitgespielt. Möglicherweise hatten sie währenddessen immer wieder miteinander telefoniert und sich über ihn schlappgelacht.
Einer nach dem anderen fielen ihm die Hinweise ein, die so offensichtlich gewesen waren. Das Tattoo auf ihrer Schulter. Wie viele Frauen hatten schon einen leuchtend blauen Kolibri auf der rechten Schulter? Einmal hatte er sie danach gefragt, und sie log überzeugend, sie hätte ihn sich vor ein paar Jahren eintätowieren lassen, nachdem sie einen Film über Kolibris gesehen hatte.
Ihre Feindseligkeit, als sie sich in dem Restaurant begegneten und sie eigentlich keinen Grund gehabt hätte, ihn nicht zu mögen. Das Gespräch zwischen Dr. Arnot und seinem Assistenten, das er mitgehört hatte, in dem sie sagten, sie sollte möglichst nicht noch mehr Operationen über sich ergehen lassen. Wie viele hatte sie wohl gebraucht, um wie ein vollkommen anderer Mensch auszusehen?
Dann später, als der Arzt nach ihr sah, hatte sie gesagt, sie sei achtundzwanzig: Devons Alter.
Gestern Nacht war das letzte Puzzlestück in seine Lücke gefallen. Er war ins Schlafzimmer gekommen, wo er mit ihr schlafen wollte, um sich Trost und Unterstützung zu holen. Aus einem Impuls heraus stellte er das Licht an – wahrscheinlich hatte sein Unterbewusstsein es ihm suggeriert, denn sein Bewusstsein versagte ja auf ganzer Linie. Und während er tief in ihr war, blickte er hinunter zu ihr und sah sie: Devons Augen. Sieben Jahre lang hatte er wieder und wieder ihr Foto angesehen, folglich kannte er diese Augen besser als seine eigenen.
Er hatte abgewartet, bevor er etwas sagte, weil er erst wissen wollte, wie weit sie mit ihren Lügen gehen würde. Die gefälschte Akte, die sie ihm gab, verriet ihm, dass sie bis zum bitteren Ende gehen wollte.
Nun war die Frage, was er tun würde. Er könnte einfach abreisen, noch heute Abend einen Flieger nach Hause
nehmen, wie er es geplant hatte. LCR schuldete er nichts. Vielmehr schuldete Noah ihm etwas: mehrere Tausend Dollar, um genau zu sein.
Jordan schenkte sich einen weiteren Drink ein. Je mehr er trank, umso wütender wurde er. Warum hatte sie das getan? Aus Rache? Oder weil es solchen Spaß machte, jemanden komplett zum Narren zu halten?
Um das
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