Reseph
grauenhafte Existenz für sie alle. Wie lange konnten sie wohl noch so weitermachen? Jahrhunderte, vermutete sie.
Sie wandte sich wieder an Harvester. »Wir machen es.«
»Manchmal überraschen die Menschen mich«, murmelte Harvester. »Geh zu ihm.«
»Nein, Jillian.« Resephs Stimme, die klang, als ob sie direkt aus der Hölle käme, ließ alle zu ihm sehen. »Tu das nicht.«
»Reseph –«
Ein grauenhaftes Knurren ließ die Luft im Zimmer erzittern, und dann stand Reseph auf einmal vor ihnen. In seinen Augen leuchteten kleine rote Funken. »Lass mich dir zeigen, wofür du dieses Opfer bringen würdest.«
25
»Reseph?« Jillians Gesicht spiegelte deutlich, wie schockiert sie war. Reseph hätte sie am liebsten in die Arme genommen und beruhigt, sie um Verzeihung gebeten, alles wiedergutgemacht.
Aber er würde genau das Gegenteil tun. Sie würde gar nichts für ihn opfern.
Sie bewegte sich auf ihn zu, doch er wich zurück, da er wusste, dass es vorbei wäre, wenn sie ihn erst einmal berührte. Er besaß nicht die Stärke, über die sie verfügte, und würde am Ende jeden Trost annehmen, den sie ihm bieten konnte.
»Ich kann dir helfen.« Sie streckte die Hand aus, und in seinen Fingern zuckte es vor Verlangen, sie zu ergreifen. »Ich will dir helfen.«
»Nach allem, was du durch Dämonen erlitten hast, kann ich unmöglich zulassen, dass du einem anderen Dämon hilfst.«
»Dass ich einem Dämonen helfe?« Sie runzelte die Stirn. »Aber ich helfe
dir
.«
»Ähm, tut mir leid, Jillian«, sagte Limos verlegen. »Ich habe wohl zu erwähnen vergessen, dass unser Vater ein Engel ist und unsere Mutter eine Sex-Dämonin. Letzteres ist auch der Grund, warum Nebenwirkungen und dieser ganze Mist bei uns immer was mit Sex zu tun haben. Lange Geschichte. Ich leih dir mal das Buch.«
Jillians Augen wurden riesig. »Ich … oh mein Gott, du bist ein … Dämon?« Als sie die Hände auf ihren Bauch presste, wusste er, dass sie an den Angriff dachte, der die Narben dort hinterlassen hatte.
Auch er erinnerte sich an den Angriff. Aber … wie? Ja, natürlich – sie hatte ihm davon erzählt, aber jetzt, wo er seine Erinnerungen zurückhatte, konnte er es
sehen
. Er sah den Parkplatz. Er stand in den Schatten, überall um sie herum der Lärm der Düsentriebwerke. Eine Frau schrie. Er … lachte. Lachte, als zwei Seelenschänder sie quälten. Sie war … oh du liebe Güte.
Jillian.
Er blinzelte, in der Hoffnung, die Visionen würden verschwinden, aber das taten sie nicht. Sie wurden noch schlimmer. Er sah Jillian, nackt und zerfetzt. Sie schrie. Seelenschänder griffen sie an, spielten mit ihr. Und er stand in den Schatten. Beobachtete. Berührte sich selbst.
Er war die Gestalt, die sie gespürt hatte, als sie angegriffen wurde. Er war dieser verfluchte abartige Scheißkerl, der ihr die Dämonen auf den Hals gehetzt hatte, und das aus keinem anderen Grund als der Tatsache, dass sie zufällig mitbekommen hatte, was seine Dämonen und er ihrer Kollegin angetan hatten. Eine Kollegin, die insgeheim einen zweiten Job hatte – sie war eine Aegis-Wächterin gewesen, und Pestilence hatte es sich zur Aufgabe gemacht, jeden einzelnen dieser Schweinehunde zu erledigen.
Jillians Schreie kreischten durch sein Bewusstsein. Er war dort gewesen, er war Zeuge des Angriffs gewesen und hatte gelacht. Er hatte gelacht, verfluchte Scheiße. Einer der Dämonen hatte mit bluttriefenden Zähnen zu ihm aufgesehen.
Es gefällt dir, Herr und Meister? Willst du sie jetzt?
Herr und Meister. Oh, heilige Scheiße, der Dämon in der Scheune hatte ihn so genannt. Er hatte es sich nicht eingebildet. Das Ding hatte zu ihm gesprochen, als ob es ihn kannte … weil es so war.
Ihm brach am ganzen Leib der Schweiß aus. Die Dämonen hatten Jillian auf seinen Befehl hin so schrecklich zugerichtet, zu seiner Unterhaltung. Heilige Hölle, er war persönlich für den brutalen Angriff auf Jillian verantwortlich. Reaver musste es gewusst haben; es wäre doch ein zu großer Zufall, dass Reseph ausgerechnet in ihrer Obhut gelandet war. Aber warum sollte der Engel Reseph ausgerechnet von seinem eigenen Opfer retten lassen?
Die Schreie verwandelten sich in Stöhnen. Jillians, seine – sie verschmolzen.
»Reseph! Verdammt noch mal, was ist denn mit dir los?« Etwas schlug ihn so fest ins Gesicht, dass sein Kopf zurückprallte. Limos.
Er packte sie. »Schaff Jillian hier raus«, krächzte er.
»Ich werde nicht gehen.« Jillian kreuzte die Arme vor der Brust und
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