Reseph
sein kannst wie vorher. Liegt dir überhaupt etwas an Jillian?«
Mit einem Brüllen rammte Reseph Ares die Faust gegen den Kiefer. Sein Bruder taumelte nach hinten, und noch ehe er sein Gleichgewicht wiederfinden konnte, rannte Reseph ihn um. In einem Knäuel aus Boxhieben und Knurren gingen sie zu Boden.
»Ich liebe sie!«, schrie Reseph.
Ares war ungefähr zehn Kilo schwerer als Reseph, und mit diesem zusätzlichen Gewicht drückte er Reseph zu Boden. »Und ich liebe Cara, aber das war dir vollkommen egal, als du versucht hast, sie zu vergewaltigen.«
Oh … Gott.
Reseph holte scharf Luft und sackte auf dem sandigen Boden zusammen, als ob seine Knochen sich in Luft aufgelöst hätten. »Scheiße. Oh … Verdammt, Ares. Es tut mir leid.«
Ares stand auf und fuhr sich immer wieder mit der Hand durch die Haare, ohne auch nur eine Sekunde aufzuhören zu fluchen. »Vom Verstand her wissen wir alle, dass das nicht du warst. Aber die Wunden sind tief. Wir kapieren es. Wir lieben dich. Aber wir können dir nicht trauen.«
Resephs Magen sackte ihm in die Kniekehlen. »Was willst du damit sagen?«
»Ich will sagen, dass wir dir helfen werden, so gut wir können. Aber du musst woandershin gehen. Wir können nicht riskieren, dass Pestilence zurückkehrt und unseren Familien etwas antut.«
»Das wird er nicht.« Doch noch während er diese Worte äußerte, wusste Reseph, dass sie nur leeres Geschwätz waren. Er wollte glauben, dass er Pestilence beherrschen konnte, aber die Beweise sagten etwas anderes. Er konnte es seinen Geschwistern nicht verdenken, dass sie sich Sorgen machten, und unwillkürlich fragte er sich, ob der alte Reseph das getan hätte. Jetzt, wo Reseph Jillian gefunden hatte, verstand er, wie mächtig das Bedürfnis, jemanden zu beschützen, sein konnte. Selbst wenn es galt, jemanden vor sich selbst zu beschützen. Ares hatte unrecht, wenn er sagte, dass Reseph es sich immer leicht machte. Es fiel ihm alles andere als leicht, sich von Jillian fernzuhalten.
Dennoch schmerzte ihn Ares’ Zurückweisung. Sehr sogar. In diesem Moment stieg der Schmerz in ihm hoch, drohte überzulaufen und sich in etwas zu verwandeln, das ihm so vertraut gewesen war, als sein Siegel zerbrochen war: grauenhafte Wut. Tief in ihm regte sich Pestilence.
Mist.
»Reseph?«
»Was?« Seine Stimme war tief wie die Hölle und verzerrt. Er musste weg von hier, ehe er noch Ares’ Befürchtungen bestätigte und Pestilence zu dicht an die Oberfläche ließ. Aber er würde seine Wut nutzen, und zwar gut nutzen.
»Du musst dich beruhigen, Bruder …«
Reseph ignorierte Ares und öffnete lächelnd ein Höllentor. Wenn er auch nicht imstande sein mochte, den Schaden wiedergutzumachen, den er seiner Familie zugefügt hatte, so konnte er doch in gewisser Weise Rache für sie nehmen.
Es war Zeit, es Pestilence mit gleicher Münze heimzuzahlen.
29
Das Underworld General Hospital, in dem Vampire, Werwölfe und Dämonen arbeiteten, kam laut quietschend zum Stehen, als Reseph mit einem Werwolf-Welpen auf dem Arm durch die Türen der Notaufnahme hereinkam.
Vermutlich lag das daran, dass Pestilence vor drei Monaten hier Amok gelaufen war und Hunderte von Patienten und Angestellten abgeschlachtet hatte, ehe er sich einen gefallenen Engel und Mitarbeiter geschnappt hatte, um ihn zu foltern. Spuren seines Amoklaufs waren immer noch allgegenwärtig: Risse in den Wänden, zertrümmerte Gerätschaften und verbeultes Mobiliar.
In Resephs Kopf erschallte Gelächter; Pestilence drückte seine Zufriedenheit über das aus, was er angerichtet hatte. Den ganzen Tag über hatte Reseph gegen den Mistkerl gekämpft, immer darauf konzentriert, den inneren Dämon davon abzuhalten, sich mit seinen Klauen zu nahe an die Oberfläche heranzuarbeiten. Meistens war es nicht allzu schwierig, die Kontrolle zu behalten. Die Probleme begannen erst, wenn Reseph die Beherrschung zu verlieren drohte. Pestilence sorgte für eine Extraportion Adrenalin – mehr Treibstoff für Resephs Kraft, sowohl physisch als mental. Heutzutage erschienen Reseph Dinge erwägenswert, zu denen er früher nie im Stande gewesen wäre, wie beispielsweise Folter.
Aber zum ersten Mal konnte Reseph das mentale Behältnis sehen, in dem er gesteckt hatte, während Pestilence an der Macht gewesen war. Jetzt saß Pestilence darin gefangen, und Reavers Einschätzung war korrekt: Das Behältnis hatte Sprünge, aus denen Pestilence’ Essenz heraussickerte. Wie zur Hölle sollte Reseph das nur
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