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Reseph

Reseph

Titel: Reseph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larissa Ione
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ersten Box. »Wenn es so wäre, wäre inzwischen längst die Polizei hier.«
    Sie log. Die Polizei wäre gar nicht imstande, sich durch den ganzen Schnee den Berg hinaufzuarbeiten. Was sie selbst zugegeben hatte, als sie davon sprach, in die nächstgelegene Stadt zu gelangen.
    Irgendwo in der Nacht rief eine Eule, und Jillians Blick richtete sich auf die Dunkelheit draußen. Einen Sekundenbruchteil lang legte sich der Schatten der Angst über ihr Gesicht, doch dann nahm sie die Schultern zurück, als ob sie sich selbst Mut zugesprochen hätte, und öffnete einen Behälter, der, wie er vermutete, Ziegenfutter enthielt.
    »Ich werde dir nichts tun, Jillian.« Da er spürte, dass sie einen Augenblick brauchte, um sich zu beruhigen – genau wie er auch –, ging er auf die Tür zu. Das Stroh knirschte unter seinen Füßen. »Das versprech ich dir.«
    Sie sagte nichts, als er in den Schnee hinaustrat und sich auf den Rückweg zum Haus machte. Mann, er wünschte, er hätte ein Bier. Er könnte jetzt wirklich eins gebrauchen. Oder eine Margarita. Oder eine Piña Colada, oder –
    Er kam so abrupt zum Stehen, dass er ausrutschte und beinahe auf seinem Hintern gelandet wäre.
    Etwas beobachtete ihn. Schon wieder. Diesmal wurde das Gefühl, beobachtet zu werden, allerdings von einer geradezu verstörenden inneren Regung begleitet, als ob aus seiner Seele eine tintenschwarze, ölige Wolke waberte.
    Er wirbelte herum, um dieses fremdartige Gefühl aufzuspüren, und von dort, tief in den Schatten zwischen den Bäumen, starrten ihn rote Augen an. Und es war nicht der Marder – diese Augen befanden sich auf einer Höhe mit seinen.
    Sie starrten ihn noch eine weitere Sekunde an, ohne zu blinzeln, und dann waren sie fort, und mit ihnen diese seltsame Dunkelheit in ihm. Was zur Hölle war das denn? Und warum kräuselte sich die Haut auf seinem Unterarm? Verdutzt blickte er auf das Pferdetattoo, das unter seinem aufgekrempelten Ärmel hervorschaute. Er hätte schwören können, dass nur eines der Vorderbeine ausgestreckt gewesen war und das andere erhoben, als ob das Pferd gerade tänzelte. Jetzt waren beide Beine gerade, als ob das Pferd mit dem Huf aufgestampft hätte.
    Zuerst das Ding im Wald und jetzt das Pferd. Verlor er etwa den Verstand?
    »Reseph?«
    Er drehte sich nicht zu Jillian um. Was, wenn man ihm den Wahnsinn schon ansah? »Ja?«
    »Warum bist du wirklich in den Wald gerannt?«
    Er zuckte mit den Achseln. »Ich dachte, ich hätte ein Knurren gehört. Aber das muss ich mir wohl eingebildet haben.«
    »Nein, ich hab’s auch gehört.«
    »Hast du?«
Gott sei Dank
und
Oh Scheiße
prallten aufeinander. Er verlor also nicht den Verstand, aber es könnte sein, dass tatsächlich ganz in der Nähe eine bösartige Präsenz lauerte. »Geh rein. Hier draußen ist irgendwas Gefährliches unterwegs.«
    »Ich glaube nicht, dass das nötig ist.«
    Endlich drehte er sich zu ihr um. »Warum nicht?«
    Es folgte ein Moment der Stille. Dann sagte Jillian etwas, dass das Blut in seinen Adern gefrieren ließ. »Weil du das warst. Das Knurren kam von dir.«

5
    Als Jillian schließlich das Haus betrat, war sie durch das, was draußen passiert war, nicht mehr ganz so verstört. Gerade als sie dachte, dass Reseph die Art von Mann wäre, der kaum etwas ernst nahm, hatte er etwas im Wald gespürt und sich in etwas verwandelt, was sie nur als Raubtier bezeichnen konnte. Das Unheimliche daran war, dass die Verwandlung nicht etwa nur sein Verhalten betraf; sie war physischer Natur gewesen. Von der Stellung seiner Kiefer und den geblähten Nasenlöchern bis hin zu den gefletschten Zähnen und den funkelnden Augen – darauf hätte sie jeden Eid abgelegt, seine Augen hatten geleuchtet wie bei einer Katze –, hatte er sich in etwas verwandelt, dem sie unter keinen Umständen in einer dunklen Gasse begegnen wollte.
    Ach was, sie wäre ihm sogar in einer sonnenbeschienenen Gasse aus dem Weg gegangen.
    Und dieses Knurren. Lieber Gott, bei diesem schaurigen Laut hatten sich ihr sämtliche Nackenhärchen gesträubt.
    Und doch, als er dann nur Augenblicke später in die Scheune geschlendert kam, waren sämtliche Spuren des Mannes, der wie eine Bestie geknurrt, in den Wald gerannt und mit Blut an den Händen zurückgekehrt war, verschwunden.
    Sie starrte auf Resephs breiten Rücken, als er jetzt gebeugt vor dem Holzofen stand. Er hatte sich das Sweatshirt ausgezogen und in einem unordentlichen Haufen in der Ecke liegen lassen. Dennoch fiel es ihr schwer,

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