Resident Evil - Sammelband 01 - Die Geburt des Boesen
hin zu der Doppeltür auf der Westseite. Er rüttelte am Knauf, doch die Flügel öffneten sich nicht. „Es ist zu gefährlich, wieder hinauszugehen. Bis die Kavallerie auftaucht, können wir uns genauso gut ein wenig umsehen. Es ist offensichtlich, dass irgendjemand das Haus instand gehalten hat – aber warum und seit wann …“
Seine Stimme erstarb. Er kehrte zur Gruppe zurück. „Wie sieht’s mit unserer Munition aus?“
Jill ließ das Magazin aus ihrer Beretta schnappen und zählte: noch drei Patronen waren übrig plus den beiden vollen Magazinen im Gürtel. Dreiunddreißig Schuss also. Chris hatte noch zweiundzwanzig, Wesker siebzehn. Barry hatte zwei volle Speedloader für seinen Colt, dazu eine Handvoll loser Patronen in einer Gürteltasche, insgesamt neunzehn Schuss.
Jill dachte an all das, was sie im Hubschrauber gelassen hatten, und spürte, wie ihre Wut auf Brad einen neuen Schub erhielt. Schachteln mit Munition, Taschenlampen, Walkie-Talkies, Gewehre – ganz zu schweigen von der Sanitätsausrüstung. Diese Beretta, die Joseph draußen auf dem Feld gefunden hatte, die bleichen, blutbespritzten Finger noch darum gekrampft – ein S.T.A.R.S.-Teammitglied war tot oder lag im Sterben, und dank Brad hatten sie nicht einmal ein Heftpflaster anzubieten.
Ein Geräusch ertönte. Das Geräusch von etwas Schwerem, das nicht weit entfernt zu Boden rutschte … Synchron wandten sie sich der einzigen Tür auf der Ostseite zu. Jill erinnerte sich plötzlich an jeden Horrorfilm, den sie je gesehen hatte – ein unheimliches Haus, ein unheimliches Geräusch … Sie schauderte und nahm sich fest vor, Brad in seinen mageren Arsch zu treten, wenn sie hier herauskamen.
„Chris, sehen Sie nach und erstatten Sie Bericht, schnell“, sagte Wesker. „Wir warten hier für den Fall, dass das RCPD anklopft. Wenn Sie in Schwierigkeiten geraten, schießen Sie, dann finden wir Sie.“
Chris nickte und bewegte sich in Richtung der Tür. Seine Stiefel klackten laut über den Marmorboden.
Jill spürte abermals dieses ungute Gefühl einer Vorahnung in sich aufsteigen. „Chris?“
Die Hand am Knauf drehte er sich um, und Jill wurde klar, dass es nichts gab, was sie ihm sagen konnte, nichts, was Sinn ergab. Alles geschah so schnell und an dieser Situation stimmte so vieles nicht, dass sie nicht wusste, wo sie hätte anfangen sollen …
Er ist ausgebildeter Profi, genau wie du. Also fang an, dich auch wie ein solcher zu benehmen.
„Sei vorsichtig“, sagte sie schließlich. Es war nicht das, was sie sagen wollte, aber es musste genügen.
Chris schenkte ihr ein schiefes Lächeln, dann hob er seine Beretta und trat über die Schwelle. Jill hörte das Ticken einer Uhr, dann war Chris verschwunden. Die Tür hatte er hinter sich wieder geschlossen.
Barry fing Jills Blick auf und lächelte ihr zu, eine Geste, die ihr bedeuten sollte, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte – doch sie konnte sich der plötzlichen Eingebung nicht erwehren, dass Chris nicht zurückkommen würde.
Chris ließ den Blick durch den Raum schweifen, nahm die vornehme Eleganz seiner Umgebung in sich auf und stellte fest, dass er allein war. Wer das Geräusch auch verursacht hatte, war nicht hier.
Das erhabene Ticken einer Standuhr schwang durch die kühle Luft und hallte von glänzenden schwarzen und weißen Fliesen wider. Er befand sich in einem Speisesaal von jener Art, wie er sie nur aus Filmen über das Leben reicher Leute kannte. Wie schon der andere Raum hatte auch dieser hier eine unglaublich hohe Decke und eine Galerie im ersten Stock, aber er war darüber hinaus noch mit teuer aussehenden Gemälden dekoriert. Am jenseitigen Ende befand sich ein offener Kamin mit einem Wappen und gekreuzten Schwertern, die über dem Sims hingen. Einen Weg in die erste Etage hinauf schien es nicht zu geben, aber rechts vom Kamin befand sich eine geschlossene Tür …
Chris senkte seine Waffe und ging auf die Tür zu, immer noch beeindruckt von der Vornehmheit der „verlassenen“ Villa, in die er und seine Kollegen geraten waren. Das Speisezimmer wartete mit polierten Zierleisten aus Rotholz und kostbar wirkendem Artwork an beigefarbenen Stuckwänden auf, die eine lange Holztafel säumten, welche wiederum die gesamte Länge des Raumes einnahm. An dem Tisch musste Platz für mindestens zwanzig Personen sein, auch wenn er nur für eine Handvoll gedeckt war. Dem Staub auf den Platzdeckchen nach zu urteilen, war hier seit Wochen nichts mehr serviert
Weitere Kostenlose Bücher