Resident Evil - Sammelband 01 - Die Geburt des Boesen
hob seine langen Arme, eine willkommenheißende Geste, und sang in überraschend schönem Sopran, seine Stimme jung, voluminös und kräftig. Es war Latein, wie etwas aus der Kirche. Und als ob das noch nicht bizarr genug gewesen wäre, schien er in einem kleinen, flachen Tümpel zu stehen, denn rings um ihn her kräuselte sich der Boden. Es war zu dunkel, um Einzelheiten erkennen zu können, nur tiefe Schatten und seine Silhouette machten den einsamen Sänger aus.
„Mein Gott“, sagte Billy. „Schau sich das einer an.“
Rebecca spürte, wie sich ihre Nackenhaare sträubten, und ihr Mund verzog sich zu einer Grimasse des Ekels. Das war kein See. Der Boden war mit Egeln übersät, Tausende davon, und alle bewegten sich auf den singenden jungen Mann zu. Sie konnte sehen, wie der Saum seines langen Mantels oder seiner Robe flatterte, als die Wesen nach oben krochen und darunter verschwanden.
„Wer ist dieser Kerl?“, fragte Billy. Rebecca schüttelte den Kopf. Vielleicht war er wie der alte Mann und bestand aus diesen Kreaturen …
Plötzlich ging ein Ruck durch den Zug. Ein lauter werdendes, tiefes, mechanisches Geräusch erfüllte den Waggon. Der Boden vibrierte unter ihren Füßen – und dann bewegte sich der Zug, erst langsam, aber rasch schneller werdend.
Rebecca sah Billy an und entdeckte in seinem Gesicht denselben Ausdruck verwirrter Überraschung, den auch ihr eigenes zeigte, und zum ersten Mal verspürte sie etwas anderes als wütende Verachtung für den Verbrecher. Er steckte genauso in diesem … Albtraum fest wie sie.
Und er hat mir gerade das Leben gerettet.
„Na, wollen Sie immer noch alleine klarkommen?“, fragte er grinsend, und sie spürte, wie das zarte Band zwischen ihnen verschwand. Doch ehe sie etwas erwidern konnte, schien er zu begreifen, dass seine sarkastische Bemerkung nicht das war, wonach die Situation verlangte.
„Ich glaube, wir könnten beide ein bisschen Hilfe brauchen“, sagte er. „Wie steht’s? Nur, bis wir das hier hinter uns haben, einverstanden?“
Rebecca dachte an die Virusopfer, die sie gesehen hatte – die sie getötet hatte, daran, was Edward gesagt hatte, dass die Wälder voller Zombies und Monster seien. Sie dachte an den Mann, der aus Egeln bestand, und ihren seltsamen singenden Herrn im Regen draußen. Und schließlich an die Tatsache, dass jemand oder etwas den Zug in Bewegung gesetzt hatte. Selbst wenn Enrico und der Rest des Teams noch am Leben waren, rückten sie mit jeder Minute in weitere Ferne.
„Ja, okay“, sagte sie, und obwohl sich seine grimmige und arrogante Haltung nicht veränderte, hatte sie doch das Gefühl, dass Billy erleichtert war.
Ganz sicher aber wusste sie, dass sie es war.
VIER
Die einsame männliche Gestalt auf dem Hügel sah zu, wie der Zug beschleunigte und im Sturm verschwand. Das Herz des Beobachters war erfüllt von dem Lied, das über seine Lippen floss, so süß durch die aufgewühlte Luft klang und seine Diener zu ihm zurückrief. Sie hatten ihre Arbeit gut gemacht und den Zug für den unweigerlich auftauchenden Aufräumtrupp vorbereitet, kaum dass die Sonne untergegangen war. Sie hatten die meisten der Infizierten durch den Wald fortgelockt, die Türen verschlossen und die Motoren gestartet. Er wollte, dass die Egel sich labten, nicht die Virusträger, und wenn das Umbrella-Team erst einmal an Bord war, würde es kein Entkommen mehr geben. Der Regen wusch über die Vielen, als sie den Hügel heraufkrochen, gerufen von seiner Stimme, von seinem Sehnen. Er empfing sie mit einem Lächeln und beendete sein Lied. Alles verlief so glatt, wie er es sich gewünscht hatte. Nach der langen Zeit des Wartens würde es jetzt nicht mehr lange dauern. Sein Traum würde sich erfüllen – er würde für Umbrella zum Albtraum werden … und danach für die Welt.
„Als Erstes müssen wir diesen Zug stoppen“, sagte Rebecca.
Billy nickte. „Irgendwelche Vorschläge?“
„Wir trennen uns“, sagte sie ruhig. Überraschend ruhig sogar, wenn man bedachte, was sie gerade durchgemacht hatte. „Der vordere Waggon des Zuges ist abgesperrt. Diese Tür müssen wir aufkriegen, damit wir zur Lok kommen.“
„Dann schießen wir das Schloss doch auf“, meinte Billy.
Rebecca schüttelte den Kopf. „Magnetkartenlesegerät. Wir müssen eine Schlüsselkarte finden.“
„Ich habe ein Büro für die Zugbegleiter gesehen –“
„Abgesperrt“, sagte Rebecca. „Wir müssen selbst eine finden.“
„Das könnte eine Weile
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