Resident Evil - Sammelband 02 - Der Umbrella-Faktor
sie es geschafft hatten, dass sie irgendwo in Sicherheit waren –
– aber das sind sie vermutlich nicht. Sie sind wahrscheinlich tot.
Sherry konnte Claires Herz klopfen hören, und sie umarmte ihre Freundin fester; sie würde später darüber nachdenken.
„… fünf, vier, drei, zwei, eins. Sequenz komplett. Detonation.“
Eine Sekunde lang herrschte völlige Stille. Der Alarm hatte endlich aufgehört, und die rumpelnde Bewegung des dahinrasenden Zuges war alles, was zu hören war –
– doch dann gab es eine Explosion, ein gedämpftes Geräusch, ein Schuump , das anschwoll, gewaltig wurde.
Sherry schloss die Augen. Plötzlich erbebte der Zug ganz fürchterlich, und sie wurden alle auf den Metallboden geworfen. Grelles, brennendes Licht flackerte durch das Fenster herein, Lärm wie von einem Autounfall wurde um sie her laut, schwere Wumps regneten auf das Dach nieder –
– und der Zug fuhr weiter. Er fuhr weiter, und das Licht verging, und sie waren nicht tot.
Der blendende Blitz löste sich auf, verging, und Leon spürte, wie die Anspannung von seinem Körper abfiel. Er rollte sich auf die Seite und sah, wie Claire sich aufsetzte und nach der Hand des Mädchens neben ihr fasste.
„Okay?“, fragte Claire die Kleine, und das Kind nickte. Beide wandten sie sich ihm zu, ihre Gesichter drückten aus, was sie empfanden – Schock, Erschöpfung, Fassungslosigkeit, Hoffnung.
„Leon Kennedy, das ist Sherry Birkin“, sagte Claire. Sie sprach die Worte behutsam aus, legte eine leichte Betonung auf „Birkin“. Er verstand die Message auch ohne ihren scharfen Blick und gab ihr mit einem Nicken zu verstehen, dass er Bescheid wusste. Dann lächelte er dem Mädchen zu.
„Sherry, das ist Leon“, fuhr Claire fort. „Wir sind uns begegnet, kurz nachdem ich in Raccoon eingetroffen war.“
Sherry erwiderte sein Lächeln, ein müdes, zu erwachsenes Lächeln, das fehl am Platze schien; sie war zu jung, um so zu lächeln.
Noch eine verdammte Untat, die Umbrella anzulasten ist – einem Kind die Unschuld zu stehlen …
Ein paar Sekunden lang saßen sie einfach so am Boden, starrten einander an, und das Lächeln schwand aus ihren Gesichtern. Leon wagte kaum zu hoffen, dass es wirklich vorbei war – dass sie das Entsetzen tatsächlich hinter sich ließen. Abermals sah er eine Widerspiegelung seiner Gefühle auf Sherrys sorgenvoll gefurchter Stirn und in Claires müden grauen Augen –
– und als sie das ferne Quietschen von Metall hörten, das von irgendwo aus dem hinteren Teil des Zuges zu ihnen drang, bemerkte er keinerlei Überraschung. Ein reißendes Kreischen – gefolgt von einem schweren, irgendwie verstohlenen Wump – und dann nichts mehr.
Hätte wissen müssen, dass es nicht vorbei ist …
„Ein Zombie?“, flüsterte Sherry, und ihre Worte gingen fast unter im dumpfen Rattern des rasenden Zuges.
„Ich weiß es nicht, Schätzchen“, sagte Claire leise, und jetzt erst sah Leon, dass ihr linkes Bein aufgerissen war – Blut quoll aus mehreren Kratzern; er war bisher zu verblüfft gewesen über seine … über ihre knappe Flucht, um es eher zu bemerken.
„Wie wär’s, wenn ich mal nachsehe?“, meinte Leon. Er hatte Claires Stichwort verstanden, hielt seine Stimme leise und gleichmäßig. Es brachte nichts, Sherry noch mehr zu verängstigen. Er stand auf und wies mit einem Nicken auf Claires Bein.
„Sherry, warum bleibst du nicht hier bei Claire und hältst ihr Bein im Auge? Vielleicht finde ich ja etwas Verbandsmaterial, während ich mich da hinten umschaue. Pass auf, dass sie sich nicht bewegt, okay?“
Sherry nickte, ihr kleines Gesicht angespannt vor Entschlossenheit, und auch für diesen Ausdruck war sie zu jung. „Geht klar.“
„Ich bin gleich wieder da“, sagte Leon, wandte sich dem rückwärtigen Bereich des schwankenden Raumes zu, betete, dass es nichts weiter war, und wusste es doch längst besser, als er nach der Remington griff und losging.
Leon öffnete die Tür. Die Geräusche des fahrenden Zuges verstärkten sich eine Sekunde lang, bis die Tür sich hinter ihm wieder schloss. Von ihrer Position am Boden aus konnte Claire nicht sehen, wie er den nächsten Waggon betrat, und sie wünschte sich, sie wäre in der Lage gewesen, mit ihm zu gehen – denn wenn sich noch etwas anderes im Zug befand, war Sherry nicht sicher, dann war keiner von ihnen sicher …
So darfst du nicht denken, es ist nichts. Es ist vorbei!
So wie es mit Mr. X vorbei war?
„Was soll ich tun?“,
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