Resident Evil - Sammelband 02 - Der Umbrella-Faktor
Hunderttausend hatte Irons lediglich helfen müssen, das Geheimnis des G-Virus zu wahren – kurzum, nach Umbrella-Spionen Ausschau zu halten und die überlebenden S. T. A. R. S.-Leute im Auge zu behalten und dafür zu sorgen, dass sie nicht noch mehr von Umbrellas geheimen Forschungen „aufdeckten“.
Das war’s. Hunderttausend Dollar, und ich passte ja ohnehin schon auf meine kleine Stadt auf und beobachtete diesen rebellischen kleinen Haufen von Unruhestiftern. Leicht verdientes Geld mit der Aussicht auf mehr, wenn alles wie geplant geklappt hätte. Nur war es eben eine Falle, eine Umbrella-Falle …
Irons war hineingetappt, und da hatte Umbrella angefangen, gegen ihn zu intrigieren – die gesammelten Informationen zu benutzen, um sein Schicksal zu besiegeln. Wie sonst hätte alles so schnell schieflaufen können? Die S. T. A. R. S.-Typen waren verschwunden, dann Birkin – und ehe Irons auch nur die Chance gehabt hatte, die Lage zu erfassen, hatten die Angriffe wieder begonnen. Er hatte ja kaum Zeit gehabt, Raccoon abzuriegeln, bevor alles den Bach hinuntergegangen war.
Und alles nur, weil ich einem Freund half – zum Wohle des Unternehmens, nicht weniger. Wie tragisch.
Irons stand auf und ging langsam um den Schneidetisch herum. Gedankenverloren fuhr er mit den Fingerspitzen die Dellen und Kratzer im Holz nach. Hinter jedem dieser Male stand eine Geschichte, eine Erinnerung an eine Vollendung – doch erneut vermochte er daraus keinen Trost zu schöpfen. Die kühle, stille Atmosphäre des Sanktuariums hatte ihn früher stets beruhigt, hier übte er seine Passion aus, hier konnte er ganz er selbst sein – aber es gehörte ihm nicht mehr. Nichts gehörte ihm mehr. Umbrella hatte ihm alles weggenommen, genau wie sie seine Stadt genommen hatten. War es so weit hergeholt zu schlussfolgern, dass sie ihr Virus freisetzen würden, um ihn zu kriegen, um ihn in die Knie zu zwingen – und dann dieses spärlich bekleidete, braunhaarige Mädchen zu schicken, um es ihm vor die Nase zu halten? Weshalb sonst war sie so attraktiv? Sie kannten seine Schwächen und nutzten sie aus, versuchten ihm selbst das letzte bisschen Anstand zu verwehren …
Und bald wird sie mich holen kommen, wird sich vielleicht immer noch unwissend stellen, immer noch versuchen, mich mit ihrer gespielten Hilflosigkeit zu verführen. Eine Umbrella-Mörderin, eine Spionin und Diebin, das ist es, was sie ist, wahrscheinlich lacht sie über mich hinter ihrem hübschen Gesicht!
Vielleicht war der Ausbruch ein Unfall gewesen; bei ihrer letzten Begegnung hatte William Birkin unsicher gewirkt, paranoid und erschöpft, und Unfälle ereigneten sich selbst unter den sichersten Umständen. Aber der Rest war Fakt – es gab keine andere Erklärung dafür, wie gründlich Irons ruiniert worden war. Diese Frau würde kommen, um ihn zu holen. Sie arbeitete für Umbrella und war geschickt worden, um ihn zu ermorden. Und damit würde sie nicht aufhören, oh nein – sie würde Beverly finden und sie … sie irgendwie schänden , nur um sicher zu stellen, dass nichts übrig bliebe, was ihm etwas bedeutete.
Irons schaute sich in dem kleinen, sanft erhellten Raum um, der einmal ihm gehört hatte, blickte wehmütig auf die abgenutzten Werkzeuge und das Mobiliar. Aus den schroffen Steinwänden drangen die süßen, vertrauten Düfte von Desinfektionsmitteln und Formaldehyd.
Mein Sanktuarium – meines!
Er nahm die Pistole auf, die auf seinem Spezial-Arbeitstisch lag, die VP 70, die immer noch ihm gehörte, und spürte, wie ein bitteres Lächeln seine Lippen kräuselte. Sein Leben war vorbei, das wusste er jetzt. Diese ganze Angelegenheit hatte mit Birkin begonnen und würde hier enden, durch seine eigene Hand. Aber noch nicht jetzt.
Diese Frau würde kommen, um ihn zu holen, und er würde sie töten, bevor er sich endgültig von Beverly verabschiedete – ehe er seine Niederlage eingestand, indem er sich die Kugel gab. Doch er würde dafür sorgen, dass sie zunächst noch sein Leid begriff. Für jede Qual, die er erlitten hatte, würde diese Frau bezahlen. Die Rechnung würde mit Blut beglichen und mit so viel Schmerzen, wie er ihr nur zufügen konnte.
Er würde sterben, aber nicht allein. Und nicht ohne die Frau vor Agonie schreien zu hören, zu hören, wie sie dem Tod seiner Träume eine Stimme gab – eine Stimme so klar und wahrhaftig, dass die Echos selbst die schwarzen Herzen der Umbrella-Führer erreichen würden, von denen er verraten worden war.
Das S.
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