Resident Evil - Sammelband 02 - Der Umbrella-Faktor
T. A. R. S.-Büro war leer, ein wüstes Durcheinander, kalt und staubig, und doch sträubte sich Claire, es zu verlassen. Nach ihrer schrecklichen Flucht durch die leichenübersäten Flure des ersten Stockwerks hatte ihr die Entdeckung des Büros, in dem ihr Bruder seine Arbeitstage zubrachte, ein Gefühl der Erleichterung verschafft. Mr. X war ihr nicht gefolgt, und obwohl sie immer noch bestrebt war, Sherry zu helfen und Leon zu finden, hielt es sie weiterhin hier. Sie hatte Angst, in die leblosen Gänge zurückzutauchen – und sie zögerte, den einzigen Ort zu verlassen, der sich nach Chris anfühlte.
Wo bist du, großer Bruder? Und was soll ich tun? Zombies, Feuer, Tod, dein komischer Chief Irons und dieses kleine Mädchen … Und gerade, als ich dachte, die Sache könnte nicht mehr verrückter werden, stehe ich Dem-Ding-das-nicht-sterben-wollte gegenüber, dem Freak, vor dem alle Freaks verblassen. Wie soll ich das durchstehen?
Sie saß an Chris’ Schreibtisch und blickte auf den schmalen Streifen Schwarzweißfotos, den sie in der untersten Schublade gefunden hatte. Die vier Bilder zeigten sie beide, grinsend und Grimassen schneidend, ein Fotoautomaten-Memento an die Woche, die sie beide voriges Weihnachten in New York verbracht hatten. Als sie den Streifen fand, hätte Claire zunächst fast geweint, all die Angst und Verwirrung, die sie bislang zurückgehalten hatte, drängten beim Anblick seines Lächelns, das sie so liebte, endlich heraus – doch je länger sie ihn ansah, sie beide, wie sie lachten und Spaß hatten, desto besser fühlte sie sich. Nicht glücklich oder auch nur okay und um keinen Deut weniger ängstlich vor dem, was da noch kommen mochte – nur besser. Ruhiger. Stärker. Sie liebte ihren Bruder und wusste, dass er, wo er auch sein mochte, sie ebenfalls liebte – und wenn sie es geschafft hatten, den Verlust ihrer Eltern zu überstehen, sich ein eigenes Leben aufzubauen und einen albernen Weihnachtsurlaub miteinander zu verbringen, weil sie kein richtiges Zuhause zum Feiern hatten, dann konnten sie alles schaffen. Sie konnte es schaffen.
Ich kann und werde es schaffen. Ich werde Sherry und Leon finden und, so Gott will, meinen Bruder – und wir werden es schaffen, aus Raccoon rauszukommen.
Die Wahrheit war, dass ihr gar keine Wahl blieb – aber sie musste erst den Prozess durchmachen, ihren Mangel an Optionen zu akzeptieren, ehe sie handeln konnte. Sie hatte einmal gehört, dass wahre Tapferkeit nicht die Abwesenheit von Angst sei, sondern vielmehr darin bestünde, die Angst zu akzeptieren und trotzdem zu tun, was nötig war – und nachdem Claire sich einen Moment hingesetzt und über Chris nachgedacht hatte, glaubte sie sich genau dazu imstande.
Sie holte tief Luft, schob die Fotos unter ihre Weste und stand auf. Sie wusste nicht, wohin Mr. X gegangen war, aber er war ihr nicht wie der Typ vorgekommen, der nur so herumstand und wartete. Sie würde in Irons’ Büro zurückkehren, um nachzusehen, ob Sherry zurückgekommen war – oder Irons. Falls auch besagter Mr. X sich dort aufhielt, konnte sie ja immer noch abhauen.
Außerdem hätte ich sein Büro durchsuchen sollen, um etwas über die S. T. A. R. S.-Leute zu finden. Hier gibt es nichts, was mir irgendeinen Hinweis geben könnte …
Im Stehen warf Claire einen letzten Blick in die Runde und wünschte, dass ihr das S. T. A. R. S.-Büro ein bisschen mehr an Ausrüstung oder Informationen geboten hätte. Das einzig Nützliche, das sie gefunden hatte, war eine ausrangierte Gürteltasche in dem Schreibtisch, der hinter dem von Chris stand; darin fand sie eine abgelaufene Büchereikarte, der zufolge es Jill Valentines Arbeitsplatz sein musste. Claire hatte Jill nie kennengelernt, aber Chris hatte sie ein paarmal erwähnt und gesagt, dass sie gut mit Waffen umgehen könne …
Zu dumm, dass sie keine dagelassen hat.
Das Team hatte nach der Suspendierung offenbar alles Wichtige aus dem Büro geräumt. Es befand sich jedoch noch eine überraschend große Zahl persönlicher Dinge hier, gerahmte Fotos, Kaffeetassen und dergleichen. Barrys Schreibtisch hatte Claire gleich anhand des halbfertigen Waffenmodells aus Plastik darauf erkannt. Barry Burton war einer von Chris’ engsten Freunden, ein riesenhafter, freundlicher Bär von einem Mann und ein regelrechter Waffennarr. Claire hoffte, dass er bei Chris war, wo dieser auch stecken mochte, und ihm den Rücken freihielt. Mit einem Raketenwerfer.
Apropos …
Zusätzlich zu allem anderen
Weitere Kostenlose Bücher