Resident Evil - Sammelband 03 - Im Netz der Verraeter

sich auch vorkommen mochte, es war nichts gegen das Gefühl, das ihn ereilte, als er Claire plötzlich vor Schmerz aufschreien hörte und spürte, wie sich ihre Finger von seinem Arm lösten.
    „Claire!“ Entsetzt wollte Steve nach ihr greifen, fasste jedoch nur ins Leere.
    „Pass auf, wo du hintrittst, ich hab mir die gottverdammte Zehe gestoßen“, sagte Claire gereizt, nur einen halben Meter entfernt, und Steve merkte, wie ihm die Knie weich wurden. Außerdem spürte er ein kaltes Metallgeländer an der rechten Schulter – die Treppe zum Grubenraum. Sie hatten es geschafft.
    Gemeinsam stiegen sie die wenigen Stufen hinauf, Claire ging immer noch voraus – und als sie die Tür öffnete, flutete richtiges Licht heraus, durchdrang das Dunkel.
    „Gelobt sei Jesus Christus“, murmelte Steve und hielt von hinten die Tür auf, während Claire eintrat.
    Doch ehe er ihr folgen konnte, hörte er jenes gestörte, mädchenhafte Kichern, das ihm inzwischen so vertraut wie verhasst war. Claire bedeutete ihm mit einer Geste, stehen zu bleiben. Er ließ die Tür los, und Claire rührte sich nicht, ließ das Türblatt gegen ihre Hüfte prallen. Alfred sagte etwas, und Claire hob langsam beide Hände.
    Es schien, als hätte sich Alfred das Mädchen geschnappt …
    … aber mich nicht , dachte Steve, ohne sich seines verkniffenen, grimmigen Lächelns bewusst zu sein. Alfred hatte eine Menge Fragen zu beantworten, aber Steve war ziemlich sicher, dass er in ein oder zwei Minuten nicht mehr viel sagen würde – nie wieder.
    Er hatte sie. Wie er vermutet hatte, waren sie – nun, war sie gekommen, um nach dem Tunnel zu sehen, dem einzigen Ausgang aus dem Terminal, für den man keinen Schlüssel brauchte. Sie war kein dummes Mädchen, gewiss nicht, aber er war ihr überlegen, verstandesmäßig und strategisch. Unter anderem.
    Claire stand immer noch in der Tür und hob nun die Hände, ihre Miene nervtötend ausdruckslos. Warum hatte sie keine Angst?
    „Lass deine Waffe fallen!“, fuhr Alfred sie an, den Finger am Abzug des Gewehrs. Seine Stimme – auf natürliche Weise verstärkt durch den Minenschacht, der den Großteil der Ebene ausmachte – hallte durch den eisigen Raum, klang herrisch und ein bisschen grausam. Ihm gefiel der starke Ton darin, und er wusste um dessen Wirksamkeit, als sie ohne zu zögern die Pistole aus ihren Fingern gleiten ließ.
    „Tritt sie her zu mir“, befahl er, und sie gehorchte. Die Waffe klapperte über den Beton. Er hob sie nicht auf, stattdessen trat er sie unter dem Geländer zu seiner Linken hindurch, und sie hörten beide, wie Claires einzige Hoffnung gegen vereisten Fels prallte und in der Tiefe der Grube verschwand.
    Wie herrlich, solche Macht auszuüben!
    „Was ist mit deinem Reisegefährten?“, fragte er höhnisch. „Hatte er einen Unfall? Oh, und geh von der Tür weg, wenn es dir nichts ausmacht. Und lass deine Hände, wo ich sie sehen kann.“
    Claire schob sich etwas vor, hinter ihr schloss sich die Tür fast zur Gänze, und als Alfred sah, wie ein zerknirschter Ausdruck über ihr Gesicht huschte, wusste er sofort, dass er einen Punkt gut gemacht hatte. Vaters warme Mahlzeit würde zwar, wie es schien, etwas kleiner ausfallen, aber er bezweifelte, dass die Monstrosität sich beschweren würde.
    „Er ist tot“, sagte Claire schlicht. „Was ist mit Alexia? Oder spreche ich mit Alexia – ihr zwei seht euch so verteufelt ähnlich, weißt du … “
    „Halt’s Maul, dumme Göre“, knurrte Alfred. „Du verdienst es nicht, ihren Namen auszusprechen. Du weißt bereits, dass es Zeit für ihre Rückkehr ist, deshalb haben deine Leute Rockfort angegriffen, um sie hervorzulocken – oder habt ihr gehofft, sie direkt zu töten, ihren ersten Atemzug zu verhindern?“
    Claire tat, als sei sie verwirrt, schien fest entschlossen, ihre Täuschung aufrechtzuerhalten, aber Alfred hatte genug von ihren Lügen. Das Spiel verlor für ihn an Interesse. Im Angesicht von Alexias bevorstehendem Triumph war alles andere verblasst.
    „Ich weiß bereits alles“, schnappte er, „also gib dir keine Mühe. Und jetzt komm mit mir … “
    Claire schaute plötzlich schräg nach oben, zu der höher gelegenen Plattform empor, wo der Tunnel begann.
    „Pass auf!“, schrie sie und ließ sich zu Boden fallen, als Alfred herumwirbelte, aber nur die riesige Eisbohrmaschine sah, den dunklen Eingang des Tunnels …
    … und hinter Claire war die Tür aufgesprungen, und der Junge hechtete herein, landete auf der