Resident Evil - Sammelband 03 - Im Netz der Verraeter
wieder beherrscht. Er atmete scharf aus und kehrte zum Schreibtisch zurück, bereit, seine Pläne zu revidieren. Es würde einfach nur länger dauern, sie zu finden, das war alles. Davon ging die Welt nicht unter. Und vielleicht würden sie sich nicht melden können und entgegenkommenderweise sterben, genau wie Martin und die anderen drei es getan hatten.
Er konnte es hoffen, würde aber nicht darauf bauen. Worauf er bauen konnte, waren seine eigene Ausdauer und seine Fähigkeiten. Umbrella würde das Evakuierungskommando frühestens in einer knappen Woche hereinschicken – länger glaubte man die Katastrophe nicht verheimlichen zu können – , es sei denn, die Spürhunde meldeten sich mit vollständigen Ergebnissen, was sehr, sehr unwahrscheinlich war. Somit blieben ihm sechs Tage, um fünf Leute ausfindig zu machen, und Nicholai war sicher, dass er schließlich der Einzige sein würde, der am Ende noch zu evakuieren war.
„Ich werde die sechs nicht brauchen“, sagte Nicholai und nickte Martins hingestrecktem, klumpigem Leichnam wild entschlossen zu. „Drei Tage – ich bin sicher, dass ich es in drei Tagen schaffe.“
Damit beugte sich Nicholai vor und begann die Karten aufzurufen, die er benötigte. Er war bester Dinge und hochzufrieden.
Jill hatte keine Patronen für die Kaliber-12-Waffe finden können, nahm sie aber trotzdem mit, weil ihr klar war, dass ihre Munition nicht ewig reichen würde – die Waffe würde zumindest einen guten Knüppel abgeben, und vielleicht fand sie ja später noch passende Munition dafür. Sie hatte sich fast entschieden, über eine der westlichen Blockaden zu klettern, als sie etwas entdeckte, das sie ihre Absicht ändern ließ, etwas, von dem sie inbrünstig gehofft hatte, es nie wieder sehen zu müssen.
Ein Jäger! Wie die anderen auf dem Anwesen, in den Tunnels …
Sie hatte auf der Feuertreppe an der Außenseite einer Boutique im Einkaufsviertel gestanden und die Kreatur auf der Straße direkt hinter einem der Vans gesehen, die die Gasse unter der Feuertreppe blockierten. Das Wesen wurde nicht auf sie aufmerksam. Jill beobachtete, wie es vorbeitrottete und aus ihrem Blickfeld verschwand. Es sah ein wenig anders als seine Artgenossen aus, die sie vorher kennen gelernt hatte, aber die Ähnlichkeit war doch gegeben – derselbe seltsam elegante, tückische Gang, die mächtigen, gebogenen Klauen, die dunkle, schlammgrüne Farbe. Jill hielt den Atem an. Ihr Magen war verkrampft, und sie erinnerte sich …
… vornüber gebeugt stand es da, sodass seine unmöglich langen Arme beinahe den Boden des Schachtes berührten. Beide Hände und Füße waren mit dicken, brutalen Krallen bewehrt, dazu hatte es winzige, helle Augen, die Jill aus einem flachen Reptilienschädel heraus anstarrten. Seine monströsen, hohen Schreie hallten durch die unterirdische Dunkelheit … bevor es sprang …
Sie hatte das Biest getötet, aber sie hatte fünfzehn 9 mm-Geschosse dafür gebraucht, eine ganze Magazinladung. Später hatte Barry ihr erzählt, er habe gehört, dass man diese Wesen Jäger nannte und dass sie zu Umbrellas bio-organischen Waffen zählten. Auf dem Anwesen hatte es noch andere Kreaturen gegeben – wilde, wie gehäutet wirkende Hunde, eine Art riesige Fleisch fressende Pflanze, die Chris und Rebecca zerstört hatten, Spinnen von der Größe kleiner Rinder und die dunklen Mutantengeschöpfe, die klingenartige Haken anstelle von Händen besessen hatten, von der Decke des Heizungsraums der Villa herabhingen und kopfüber Jagd machten, mit Stacheln besetzten Affen gleich.
Und der Tyrant nicht zu vergessen, der am furchtbarsten wirkte, weil man sehen konnte, dass er einmal ein Mensch gewesen war – vor den Operationen, vor der Genmanipulation und vor dem T-Virus.
Nicht nur das T-Virus wütete also in Raccoon. Aber so schrecklich diese Erkenntnis auch sein mochte, vermochte sie doch nicht mehr wirklich zu schockieren – Umbrella hatte mit einer Unzahl gefährlicher Dinge experimentiert, hatte wie ein abseitiger Gott mörderische Alptraumgeschöpfe gezüchtet, ohne sich auf die Folgen vorzubereiten – und manchmal endeten Alpträume eben nicht ganz von alleine.
Oder aber … oder aber, man hat das hier mit Absicht getan.
Nein. Wenn sie die Absicht gehabt hätten, Raccoon City zu zerstören, dann hätten sie doch zumindest vorher ihre eigenen Leute evakuiert … oder?
Diese Frage verfolgte Jill auf ihrem ganzen Weg zum Polizeirevier. Die Sichtung des Jägers hatte ihr die
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