Resident Evil - Sammelband 03 - Im Netz der Verraeter
reden, wenn ich nicht dabei bin …
Vielleicht würde er es so einrichten, dass er sie auf dem Rückweg traf – und sie ein, zwei Augenblicke lang beobachten, ehe er sich ihnen zeigte.
Nicholai ging zu Mikhail, der immer noch schlief, und grinste ihn an. Endlich wurde die Sache interessant. Carlos arbeitete für ihn, Mikhail stand an der Schwelle des Todes, und das Hinzukommen der S. T. A. R. S.-Lady setzte dem ganzen Arrangement quasi die Krone auf. Er blickte aus dem Wagenfenster und sah, dass die beiden bereits wieder im Dunkeln verschwunden waren. Jill Valentine misstraute ihm, aber wahrscheinlich nur wegen seiner Verbindung zu Umbrella. Er war sicher, dass sie mit ihm warm werden würde, wenn er ihr nur ein wenig Zeit ließ.
„Und wenn nicht, bringe ich sie mit dem Rest von euch um“, sagte er leise.
Mikhail gab einen Schmerzenslaut von sich, wachte jedoch nicht auf, und einen Moment später ging Nicholai leise davon.
VIERZEHN
Obwohl es wahrscheinlich eine Menge gab, über das sie hätten reden können, schien Jill nicht danach zumute zu sein und Carlos auch nicht. Sie mussten ein Stromkabel finden, zur Straßenbahn zurückkehren und durften sich dabei nicht umbringen lassen – nicht unbedingt die günstigste Zeit für Smalltalk, auch wenn die Straßen sauber zu sein schienen. Und nach dem beinahe tödlichen Erlebnis, das sie eben auf der Flucht von der Tankstelle geteilt hatten, konnte Carlos sich nicht vorstellen, einfach nur zu plaudern.
Worüber sollten wir auch reden? Übers Wetter? Wie viele ihrer Freunde tot sind? Wie wär’s damit, ob dieses Tyranten-Ding nun bald auftauchen und sie töten wird, oder vielleicht über die zehn wichtigsten Gründe, weshalb sie Nicholai nicht mag … ?
Jill konnte Nicholai offensichtlich nicht leiden – mit ziemlicher Sicherheit wegen ihrer Einstellung zu Umbrella, und Carlos hatte das Gefühl, dass auch Nicholai sie nicht sonderlich sympathisch fand, wenn er auch nicht sicher war, weshalb. Der Truppführer war ausgesucht höflich gewesen, nur etwas kurz angebunden vielleicht. Carlos war froh, dass Jill sich ihm gegenüber nicht auch so misstrauisch und provozierend verhielt, doch auch die Animosität zwischen ihr und Nicholai beunruhigte ihn. Es mochte wie ein Klischee klingen, traf aber seiner Meinung nach den Nagel auf den Kopf: Wenn sie überleben wollten, würden sie zusammenhalten müssen.
Jill signalisierte keinerlei Bereitschaft, ihren Standpunkt, was dieses Thema anging, zu diskutieren, und Carlos war mit der Überlegung beschäftigt, ob er den anderen von Trent erzählen sollte. Schweigend marschierten sie von der Straßenbahn aus zurück zur Stadtmitte und hatten das Parkhaus fast erreicht, als Carlos jemanden sah, den er kannte.
Der Tote lehnte in der Ecke einer gewundenen Gasse, nicht weit entfernt von den grotesken Kadavern zweier Umbrella-Kreaturen, an denen Carlos in den vergangenen Stunden schon zweimal vorbei gekommen war.
Dem Aussehen des Leichnams nach zu schließen, befand er sich bereits eine ganze Weile hier – was bedeutete, dass Carlos auch an ihm vorbeigekommen sein musste, ihn aber nicht bemerkt hatte. Es war irgendwie bedrückend, sich eingestehen zu müssen, dass er den Toten nicht einmal mehr ins Gesicht schaute.
„Hey, dem Typen bin ich schon mal begegnet“, sagte er, ging neben ihm in die Hocke und versuchte sich an seinen Namen zu erinnern – Hennessy? Hennings, das war es. Groß, dunkles Haar, eine dünne Narbe, die von einem Mundwinkel zum Kinn verlief. Eine einzelne Schusswunde im Kopf, keine erkennbaren Zeichen von Verwesung.
Und was zum Teufel macht er hier?
Jill war Carlos ein paar Schritte vorausgegangen. Jetzt drehte sie sich um und kam zurück, wobei sie verstohlen auf ihre Armbanduhr sah.
„Es tut mir Leid um deinen Freund, aber wir müssen wirklich weiter“, sagte sie sanft.
Carlos schüttelte den Kopf und begann, den Toten abzuklopfen. Er suchte nach Ersatzmunition oder einem Ausweis. „Nein, wir waren keine Freunde. Ich habe ihn im Stabsbüro getroffen, nachdem ich angeheuert wurde. Er arbeitete für eine andere U. B. C. S.-Abteilung, glaube ich. Der Typ ist ein Geist, Ex-Militär, und er ist ganz sicher nicht mit uns nach Raccoon gekommen … hola , was ist denn das?“
Carlos zog ein schmales, in Leder gebundenes Buch von der Größe eines Paperbacks aus Hennings’ Jackenfutter und schlug es auf. Ein Tagebuch. Er blätterte es bis zum Ende durch und sah, dass der letzte Eintrag von vorgestern
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