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Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burnout (German Edition)

Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burnout (German Edition)

Titel: Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burnout (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Berndt
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Eltern? Wer ist mein Vater? Wie sieht er aus? Bin ich ihm ähnlich? Kurz: Woher komme ich?
    Im Fall von Sabine 3 aus München war der Identitätsverlust ein schräger Zufall oder das Zuwortmelden des lange zum Schweigen gebrachten Unbewussten. »Ach, das ist ja interessant«, rief ihre Mutter wenige Wochen, nachdem Sabine selbst eine Tochter zur Welt gebracht hatte, offenkundig überrascht aus. Sabine und ihre Mutter saßen gemeinsam über dem Mutterpass, den Ultraschallbildern, dem Armbändchen aus derKlinik sowie einer Reihe weiterer Erinnerungen an Schwangerschaft und Geburt. Und dabei fiel der frischgebackenen Großmutter die Sache mit den Blutgruppen auf. »Das ist ja wirklich lustig«, sagte sie, »du bist Blutgruppe B?! Papa und ich sind beide Blutgruppe A!«
    Sabine fand das auch interessant, aber weniger lustig. Als Naturwissenschaftlerin wusste sie, dass das nicht sein konnte. Irgendetwas stimmte hier nicht. Entweder hatte ein Arzt die Blutgruppe einer der beteiligten Personen falsch bestimmt. Oder sie konnte nicht das Kind ihrer Eltern sein. Sabine war zu neugierig, um das so stehen zu lassen und einfach zur Tagesordnung überzugehen. Gab es da nicht diese alte Geschichte, dass sie womöglich als Baby im Krankenhaus vertauscht worden war? Sie wollte den Ungereimtheiten nachgehen.
    Ihre Eltern fanden das zunächst völlig unnötig. Die Wissenschaft könne ja irren, sagten sie. Es gebe immer Dinge zwischen Himmel und Erde, die sich den modernen Methoden der Wissenschaft entzögen. Außerdem sei der Frauenarzt, der die Blutgruppe der Mutter bestimmt hatte, bekanntermaßen ein Alkoholiker gewesen. In seiner Praxis könne also leicht ein Fehler passiert sein. Aber wahrscheinlich war dann ein anderer der Vater? Unmöglich. Sie seien einander doch immer treu gewesen, versicherten beide Eltern. Das Einzige, was sie dazu bewegte, Sabines Forschungsinteresse zu unterstützen, war die Sache mit der möglichen Vertauschung. Schließlich hatte die Hebamme der Mutter nach Sabines Geburt zunächst zu einem gesunden Jungen gratuliert und war dann kurze Zeit später mit der Nachricht am Wöchnerinnenbett erschienen, das Kind sei doch ein Mädchen.
    In den kommenden Monaten zeigten weitere Blutgruppenanalysen, dass bei der Bestimmung keine Fehler passiert waren. Zwei Gentests brachten die Wahrheit schließlich an den Tag: Sabine war die Tochter ihrer Mutter, nicht aber das Kind ihres Vaters. Damit hatte sie nicht gerechnet, zumal ihre Mutter noch lange an der Mär der ausnahmslosen ehelichen Treue festhielt. Erst Monate nach den Gentests fiel ihr ein offenbar tief verdrängter Seitensprung wieder ein.
    Und dennoch: Die für sie völlig überraschende Neuigkeit,nicht das leibliche Kind ihres Vaters zu sein, berührte Sabine, aber sie warf sie nicht aus der Bahn. An ihrer Beziehung zu ihrem sozialen Vater änderte sich aus ihrer Sicht nichts, wenngleich dieser von der Nachricht schwer getroffen war. Er reagierte verstört und kämpfte mit der Angst, von Kindern und Enkelkindern fortan nicht mehr akzeptiert zu sein.
    Immer wieder fragten Sabines Freunde und ihre Schwester sie, ob sie nicht völlig durcheinander sei. Ob sie nicht ihren leiblichen Vater ausfindig machen und kennenlernen wolle. Sie müsse sich doch auf die »Suche nach ihrem Ich« machen. Während ihr Ziehvater fast an der neuen Wahrheit zerbrach, hatte sie das Gefühl, dass sich für sie eigentlich nichts Wesentliches änderte. Die Nachricht erreichte ihr Gehirn, aber in ihrem Innersten fühlte sie sich davon nicht berührt. »Ich bin, wer ich bin«, sagte sie überzeugt. »Daran ändert sich doch nichts, nur weil mein Vater offenbar ein anderer ist.«
    Das sehen die allermeisten Menschen, in deren Leben ähnliche Fragen auftreten, völlig anders als Sabine. Viele, wie eine junge Frau namens Sonja, die mit 27 Jahren herausbekam, dass sie das Kind eines Samenspenders ist, geraten in eine schwere Identitätskrise. Der Tag, an dem sie davon erfahren habe, sei »der schlimmste ihres Lebens« gewesen, schreibt Sonja im Internet. Sie fühle sich, als werde ihr »der Boden unter den Füßen weggezogen«. Weil von solchen Problemen auch die Richter des Bundesverfassungsgerichts wussten, sprachen sie schon im Jahr 1989 allen Menschen ein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung zu. Babyklappen und anonyme Geburt stehen aus diesem Grund immer wieder in der Kritik. Anonyme Samenspenden sind inzwischen in Deutschland verboten. Zu Recht, sagt die Familientherapeutin Petra

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