Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burnout (German Edition)
sprach eine klare Sprache: Die Resilienten unter den Herzpatienten überstanden die Operation erheblich besser: Eine Woche, nachdem ihnen ein Bypass gelegt worden war, hatten sie deutlich weniger Krankheitssymptome als Personen mit geringerer Selbstwirksamkeitserwartung und weniger Geborgenheit; ihre Wundheilung war besser verlaufen, sie spazierten schon wieder im Zimmer herum und waren insgesamt aktiver. Sechs Monate nach der Operation zeigte sich die Heilungskraft der Resilienz noch einmal: Von den von sich überzeugten Zeitgenossen schmiedeten viele bereits Urlaubspläne; sie verrichteten mehr Aufgaben in Haus und Garten und hatten auch schon häufiger wieder ihre Arbeit aufgenommen.
Ähnliches stellten auch Kollegen von Karena Leppert fest. Sie untersuchten, wie häufig Krebspatienten, die sich einer Strahlenbehandlung unterzogen, unter starker Erschöpfung litten. Diese sogenannte Fatigue tritt häufig bei Krebskranken auf – mitunter als psychische Reaktion auf die Krankheit; sie kann aber auch durch die Chemo- oder Strahlentherapie ausgelöst werden. In der Studie mit mehr als 100 Krebspatienten zeigte sich jedenfalls: Patienten mit ausgeprägter Resilienz litten nicht so stark an Fatigue wie weniger stabile Persönlichkeiten.
Psychische Widerstandskraft zeigt sich auch darin, wie man mit einer chronischen Krankheit umgeht – etwa mit Diabetes. Die Zuckerkrankheit ist heute keine echte Bedrohung mehr: Wenn Patienten gut eingestellt sind und regelmäßig ihre Medikamente nehmen, kommen sie im Allgemeinen gut mit der Krankheit zurecht; Spätfolgen – etwa Schäden an Augen oder Nieren – lassen sich minimieren. Gleichwohl greift der Diabetes erheblich in den Alltag ein. Sorglos essen nur die wenigsten. Auch müssen die Patienten regelmäßig und sehr diszipliniert an ihre Medikamente denken.
Deshalb hat die Soziologin Leppert untersucht, welchen Einfluss die Seelenstärke bei Menschen mit Diabetes auf ihren Umgang mit der Krankheit hat. Deutlich zeigte sich dabei: Die Zuckerkranken, die psychologischen Tests zufolge besonders resilient waren, hatten eine höhere Lebensqualität. »Sie sagtensich: Das Leben mit der Krankheit ist schwer, aber ich schaffe das schon«, erzählt Leppert. In der Folge fühlten sie sich deutlich besser als die weniger resilienten Patienten.
»Dieses Gefühl muss nicht unbedingt einen objektiven physiologischen Zustand widerspiegeln«, betont Leppert. Den resilienten Zuckerkranken ging es also, mit den Augen eines Arztes betrachtet, nicht zwangsläufig besser. »Aber subjektiv konnten sie die Krankheit besser bewältigen als die weniger resilienten Patienten«, so die Soziologin. Sie konnten sich gut um sich selbst kümmern und brauchten weniger Begleitung und Beratung durch ihre Ärzte.
Mit welchen Eigenschaften die gesundheitsfördernde Stärke zusammenhängt, hat Ralf Schwarzer mittlerweile für unterschiedliche psychische Herausforderungen untersucht. Dabei zeigte sich, dass die Selbstwirksamkeitserwartung sogar physiologisch messbar ist. Schwarzer zufolge wirkt sie sich in anforderungsreichen Situationen auf Blutdruck, Herzrate und Adrenalinspiegel aus. Das lässt sich therapeutisch umsetzen: Wenn das Selbstvertrauen von Rheumapatienten durch eine Therapie gestärkt wird, so zeigte eine Studie, empfinden sie weniger Schmerzen und bewältigen ihren Alltag besser.
Neben der Selbstwirksamkeitserwartung wirke sich vor allem Optimismus, der bei resilienten Persönlichkeiten besonders ausgeprägt ist, positiv auf das Wohlbefinden und den Krankheitsverlauf aus, meint Schwarzer: »Es ist die mit hohem Optimismus verbundene geringere Ängstlichkeit, die für das Ausmaß der Beschwerden und die Qualität der Problembewältigung verantwortlich zu machen ist.«
Verdrängen ist erlaubt
Was würde Sigmund Freud bloß zu den Resilienten sagen? Zumindest jene dieser starken Persönlichkeiten, die Krisen in kürzester Zeit ad acta legen und einen Neustart wagen, leben ganz offenkundig gegen seine Theorie. Immer wieder hat der Begründer der Psychoanalyse betont: Nach einem Verlust von geliebten Menschen oder Dingen – dem Beruf etwa, demgewohnten Umfeld – ist Trauern nicht nur normal, sondern auch wichtig. Wer sich mit dem Gefühl der Leere, des Verlusts und des Abschieds nicht auseinandersetzt, wer diese also verdrängt, der riskiert, aus der Seele heraus krank zu werden. Phobien, Neurosen und die von ihm so genannte »Abwehrhysterie« führten schließlich auch dazu, dass sich
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