Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burnout (German Edition)
begreifen, hängt in hohem Maße von ihrer subjektiven Wahrnehmung ab«, sagt Asendorpf. »Wer Stress als Herausforderung sieht, für den ist er plötzlich gar nicht mehr negativ.« Umgekehrt schätzen Personen mit niedriger Selbstwirksamkeitserwartung Stress schon von Beginn an negativ ein. »So wandelt sich eine Herausforderung zu einer starken Bedrohung bis hin zum Gefühl des Kontrollverlusts«, sagt der Gesundheitspsychologe Ralf Schwarzer. Das werde noch dadurch verstärkt, dass solche Menschen sich Misserfolge persönlich zuschreiben – »ein Teufelskreis«.
Schwarzer ist sicher: »Menschen mit höherer Selbstwirksamkeitserwartung zeigen größere Anstrengung und Ausdauer.« Wenn etwas schiefgeht, führen sie es eher auf äußere Ursachen und weniger auf sich selbst zurück. So bleibt ihr Selbstwertgefühl erhalten. Menschen mit geringerer Selbstwirksamkeitserwartung fühlen sich dagegen durch Misserfolge in ihrer negativen Sicht bestätigt: Die sich selbst erfüllende Prophezeiung schwächt die Selbstwirksamkeitserwartung noch zusätzlich und damit auch die Motivation. Zwangsläufig folgt daraus am Ende ein Abfall von Zufriedenheit und Leistung.
Das hat mitunter frappierende Auswirkungen: Ältere Menschen, die optimistisch an den Erhalt ihrer kognitiven Fähigkeiten glauben, hatten in Studien tatsächlich ein besseres Gedächtnis als Gleichaltrige, die im Alltag ständig ängstlich Anzeichen für ihren geistigen Abbau registrieren.
Was stark macht und was schwach
Was die psychisch starken Menschen konkret auszeichnet, haben Forscher mit Hilfe aufwendiger Studien untersucht und dabei mehr und mehr Besonderheiten im Wesen der resilienten Menschen erkannt. Inzwischen gibt es ganze Listen mit Eigenschaften, die bei den psychisch widerstandsfähigen Menschen auffallend stark oder schwach ausgeprägt sind. Diese Eigenschaften haben Wissenschaftler weltweit immer wieder beschrieben – gleich in welchem ethnischen Kontext sie gearbeitet haben oder unter welchen geographischen Rahmenbedingungen. Die Tabelle zeigt, welche Faktoren helfen, Krisen möglichst unbeschadet zu überstehen (adaptiert nach Friedrich Lösel).
(+) = trägt zur psychischen Widerstandskraft bei
(–) = mindert sie eher
TEMPERAMENT
+ Humor
+ Flexibilität
+ emotionale Ausgeglichenheit
+ Frusttoleranz
+ Durchsetzungsvermögen
+ Ausdauer
+ Kraft
+ Optimismus
+ Interesse an Hobbys
– Impulsivität
KOGNITIVE KOMPETENZEN
+ Gute Schulleistung
+ Spezielle Talente
+ Realistische Planung/Zukunftsperspektive
+ Leistungsmotivation
+ Intelligenz
SELBSTERLEBEN
+ Selbstwirksamkeit
+ Selbstbewusstsein
– Hilflosigkeit
COPING
+ Aktive Problemlösung
+ Fähigkeit, sich zu distanzieren
– Passiv-aggressive Reaktion auf Probleme
SOZIALE BEZIEHUNGEN
+ Bezugsperson außerhalb der Kernfamilie
+ Gute Beziehung zu Erziehern
+ Unterstützende Geschwister
+ Gute Beziehung zur Schule
+ Erfahrung von Sinn und Struktur im Leben
+ Religiosität/Spiritualität
+ Zufriedenheit mit der erfahrenen Unterstützung
+ positives Sozialverhalten
+ hohe Sprachfertigkeiten
ERZIEHUNGSKLIMA
+ Warm, akzeptierend
+ Kontrolle, Normorientierung
+ Dosierte Anforderungen und Verantwortung
Der Irrtum des Immerfröhlichseins: Resilienz und Gesundheit
Es war schlimm, aber er wusste, dass er es überstehen würde. Polizisten wie Dick sind hart im Nehmen. Sonst würden sie diesen Beruf wohl gar nicht erst ergreifen. Am 11. September 2001 jedoch kam auch Dick an seine Grenzen. Wie viele seiner Kollegen gehörte der 36-Jährige zu den Ersten, die nach dem Terrorangriff auf das World Trade Center in New York am Ort des Schreckens eintrafen. Sie wurden Zeugen davon, wie Menschen aus den brennenden und in sich zusammenstürzenden Türmen sprangen. Sie suchten im Chaos nach Überlebenden und halfen denen, die sie fanden. Doch meist entdeckten sie unter den Trümmern nur Leichen. Überall sah Dick Körperteile herumliegen. Er hörte die irren Stimmen der Entkommenen, sah ihre entsetzten oder völlig leeren Gesichter. Frauen, weiß von Staub; Männer, die unaufhörlich weinten; Kinder, die schrien, wie er es nie zuvor gehört hatte. Und er wusste, unter den Trümmern würde er weitere Tote und noch mehr Teile von Toten finden – und grub doch weiter.
Nach dem 11. September brauchte Dick einen Psychiater. Es war wegen der Traurigkeit, die in den ersten Tagen einfach nicht aufhören wollte. Er wachte morgens auf, und das Erste, was er fühlte, war diese tiefe
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