Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burnout (German Edition)
ein hohes Kontrollbedürfnis – über ihre Krankheit, ihre Sorgen und ihr Leben – haben, seien sie in der Regel sehr diszipliniert und bereit, ihren Lebensstil so anzupassen, dass die Krankheit möglichst wenig Chancen hat.
Doch Verdrängen ist nicht gleich Verdrängen, auch optimistische Menschen neigen dazu, negative Informationen zur Seite zu schieben. Das wundert nicht, ist aber nun auch wissenschaftlich erwiesen. Vor Kurzem haben britische und deutsche Neurowissenschaftler das, was sich in den Gehirnen ihrer Probanden abspielte, in einem funktionellen Kernspintomographen beobachtet. Während die Testpersonen in der engen Röhre lagen, sollten sie die Wahrscheinlichkeiten schätzen, mit denen im Laufe ihres Lebens verschiedene unschöne Dinge passieren würden. Wie groß ist die Gefahr, dass sie Darmkrebs bekommen? Wie groß die, vom Blitz erschlagen zu werden? Nachdem die Probanden geschätzt hatten, bekamen sie die echten statistischen Wahrscheinlichkeiten präsentiert.
In einer zweiten Runde zeigte sich ein erstaunlicher Effekt: Die Testpersonen korrigierten ihre ursprünglichen Einschätzungen nur nach unten, nicht nach oben. Wenn ihnen eine größere reelle Gefahr genannt worden war, ignorierten sie das. Nur eine kleinere reelle Gefahr zogen sie in ihre persönliche Risikoabschätzung ein. Der Gehirnbereich, der für diesen Rosa-Brille-Effekt verantwortlich ist, sei bei sehr optimistischen Personen besonders aktiv, sagt Tali Sharot, eine der Wissenschaftlerinnen. »Wir picken uns aus dem, was wir hören, die Information heraus, die wir hören wollen«, sagt sie. »Und je optimistischer wir sind, desto weniger lassen wir uns von negativen Informationen über unsere Zukunft beeinflussen.«
Dass Verdrängen gut sein kann, haben in den vergangenenJahren Psychologen auch aus anderen Fachbereichen festgestellt – zum Beispiel aus der Traumaforschung. Früher rückten nach großen Unfällen, Banküberfällen oder Terroranschlägen sofort Therapeuten- und Seelsorgerteams an, die alle in das Unglück verwickelten Menschen aufforderten, mit ihnen über die erlebten Schrecken zu sprechen, sich detailliert an das Erlebte zu erinnern und es so zu verarbeiten; eine ähnliche Aufarbeitung negativer Ereignisse ist auch Teil der Psychoanalyse. Doch mit der Zeit stellten Psychologen fest: Dieses sogenannte Debriefing häufig noch am Unfallort nützt nur wenigen Menschen. Vielen kann es dagegen sogar schaden. So werden anhaltende Traumafolgen wie Angst und Schmerz mitunter erst durch die erzwungene Konfrontation ausgelöst.
Inzwischen geht man deshalb dazu über, die Menschen in Ruhe zu lassen. Nur wer möchte, soll erzählen. Nachdem der Tsunami im Jahr 2004 im Indischen Ozean gewütet hatte, warnte die Weltgesundheitsorganisation sogar ausdrücklich davor, die Opfer der Katastrophe nun auch noch mit einem Debriefing heimzusuchen.
Viele Betroffene entscheiden sich fürs Schweigen. Sie machen die Sache erst einmal mit sich selbst aus. Später ziehen sie dann vielleicht einen Psychologen zurate – aber viele brauchen ihn gar nicht. Oftmals haben die Selbstheilungskräfte gewirkt; das soziale Netz hat genügend geholfen. Wenn Menschen kurz nach einem Trauma zu ihm kommen, sagt daher der Trauma-Experte Georg Pieper, empfehle er ihnen, erst einmal zwei Monate abzuwarten. Pieper unterhält eine Praxis in der Nähe von Marburg und sitzt seit vielen Jahren in der »Task Force on Disaster and Crisis« der European Federation of Psychologists’ Associations. Dort setzt er sich für die Entwicklung allgemeiner europäischer Qualitätsstandards zur Versorgung von Katastrophenopfern ein, damit Fehler wie das erzwungene Debriefing in Zukunft nicht mehr passieren. Je nach Persönlichkeit, aber auch je nach Trauma, sagt Pieper, kann ein höchst unterschiedlicher Umgang mit einem schrecklichen Erlebnis richtig sein.
Der niederländische Psychoonkologe Bert Garssen forderte schon vor Jahren seine Zunft auf, beim Begriff Verdrängungstärker zu differenzieren. Man müsse doch wohl unterscheiden, ob die Menschen im Alltag versuchen, sich ihre Emotionen nicht anmerken zu lassen, oder ob sie Details traumatischer Ereignisse vergessen – zum Beispiel, was genau während ihrer Vergewaltigung geschehen ist oder wie es sich anfühlte, als feindliche Soldaten im Krieg ihr Zuhause plünderten und sie bedrohten.
Mitunter mögen Represser sogar besonders resilient sein. In schrecklichen Situationen könne es genau die richtige Strategie
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