Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burnout (German Edition)
es auch Enttäuschungen und Niederlagen erfahren dürfen. Wenn man mit einem Problem fertig geworden ist, wächst das Selbstbewusstsein. Und nur dann entwickelt sich die Bereitschaft, sich auch künftig für die Lösung seiner Probleme einzusetzen. Wer das nie gelernt hat, der duckt sich bei Schwierigkeiten eher weg, als dass er sie anpackt. Dem fehlt am Ende die Motivation, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.
Welche Schwierigkeiten genau sollte man einem Kind nicht ersparen?
Überall da, wo es nicht unbedingt Hilfe braucht, sollte man es gewähren lassen. »So wenig wie möglich und so viel wie nötig«, das ist ein guter Leitsatz der Pädagogik. Das fängt schon bei den ganz Kleinen an. Man muss einen Zweijährigen, der hinfällt, nicht aufheben. Der kann alleine aufstehen. Dann weiß er auch, dass er es beim nächsten Mal wieder ohne seine Mutter oder seinen Vater schaffen wird. Ich kann die Kleinsten auch schon im Sandkasten ihren Streit um die Förmchen austragen lassen. Sofern sie sich dabei nicht verletzen, sollen sie doch trainieren, wie man sich auseinandersetzt und dann auch wieder Frieden schließt.
Und wenn die Kinder größer werden?
Dann ist es wichtig, dass man ihnen auch aktiv Bewältigungschancen ermöglicht. Man sollte ihnen Verantwortung übertragen, die ihrem Alter entspricht. Es kann zum Beispiel ihre Aufgabe sein, regelmäßig den Müll runterzubringen, das Meerschweinchenzu füttern oder für Ordnung im Kinderzimmer zu sorgen. Kinder sollten auch selbstständig ihre Hausaufgaben machen und selbst dafür sorgen, dass sie am nächsten Tag in der Schule alles dabeihaben. Und größere Kinder können ihre Sachen für die Klassenfahrt selber packen. Wenn Kinder vieles allein machen dürfen, entwickeln sie Vertrauen zu sich selbst. Dieses Vertrauen nehmen sie für ihr ganzes Leben mit. Und es hilft ihnen, wenn einmal Krisenzeiten anbrechen.
Wobei es für Eltern nicht leicht ist, ihr Kind sehenden Auges in eine dumme Situation hineinlaufen zu lassen.
Natürlich sollen Eltern ihr Kind nicht in eine schwierige Lage bringen. Man muss sich aber immer vor Augen halten: Das Leben ist die wichtigste Schule für ein Kind. Es muss lernen, sich auch in unruhigen Zeiten zu behaupten. Nur dann wird es das auch als Erwachsener können. Eltern, die ihr Kind stark machen, greifen nur lenkend ein, wenn es nötig ist.
Hätten die Deutschen mehr Kinder, würden sie die Kleinen zwangsläufig mehr sich selbst überlassen …
Die große Aufmerksamkeit hat gewiss etwas damit zu tun, dass es meist nur noch ein oder zwei Kinder in der Familie gibt. Entsprechend viel Zuwendung können Kinder heute von ihren Eltern bekommen. Trotzdem dürfen wir sie nicht grenzenlos verwöhnen. Wir müssen angemessen auf sie reagieren, damit sie eine stabile Beziehung zu uns und auch zu anderen aufbauen können.
Was bedeutet diese Stabilität für die Kinder?
Das Kind weiß: Da ist jemand, der mich akzeptiert. Da ist aber auch jemand, der mir Grenzen setzt und bei dem ich nicht alles tun und lassen kann, was ich will. Ein autoritativer Erziehungsstil ist wichtig. Es geht nicht darum, dass Eltern autoritär sind, also eher zurückweisend und stark kontrollierend. Sie sollten autoritativ erziehen. Das heißt, dass sie ihrem Kind mit Wärme und Unterstützung begegnen, aber auch klare Grenzen setzen und es kontrollieren. Das heißt auch, dass man seinem Kind im Biergarten nicht noch ein drittes Eis kauft, weil es sonst laut schreit. Dann lernt das Kind nur, dass es Erfolg hat, wenn es sich aggressiv durchsetzt.
Soziales Lernen kann aber ganz schön weh tun. Soll man sein Kind dann auch mit seinen Wunden allein lassen?
Nein. Die Kinder sollen ruhig negative Erfahrungen machen. Aber danach soll man ihnen natürlich Unterstützung anbieten. Jedes Kind sollte in dem Bewusstsein aufwachsen, dass seine Eltern für es da sind – egal, welchen Unsinn es angestellt hat. Das ist einer der wichtigen Schutzfaktoren in Krisenzeiten: dass man weiß, zu wem man geht, wenn man Hilfe braucht. Und dass man die auch annehmen kann.
Wie viel Schaden kann man anrichten, wenn man seinem Kind zu viele Widrigkeiten aufbürdet?
Es hört sich vielleicht schlimm an, wenn das ein Psychologe sagt, aber: Wir dürfen den Einfluss der familiären Erziehung auch nicht überschätzen. Sensible Eltern glauben, jedes Detail der Erziehung sei bedeutsam. In dem großen mittleren Bereich der Normalbevölkerung ist das aber gar nicht so wichtig. Extreme Milieus
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