Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burnout (German Edition)
Steuern und Rentenabgaben. Das Dreifache dessen, was er zuvor in einer Krippe investiert hat, bekommt der Staat auf diesem Wege zurück, errechneten auch die im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung tätigen Forscher. Die Grundlagen für den höheren Schulabschluss und den besser bezahlten Job werden früh gelegt.
Aber haben Krippen nicht auch Nachteile? Wie steht es um die für die psychische Widerstandskraft doch so wichtige Bindung der Kleinen, wenn sie allzu früh von den Eltern getrennt werden? Ist das Zuhause nicht doch der beste Ort – zumindest wenn sich die Mutter dort treusorgend und mit aller Kraft um das Kindeswohl bemüht?
Das hänge vor allem von der Qualität der Einrichtungen ab, betont Lieselotte Ahnert. Gerade kleine Kinder bräuchten eine zuverlässige, feinfühlige Person, die sich ihnen widmet. Das müsse aber nicht die Mutter sein. »Übermutterung ist nichts Gutes«, sagt Ahnert. Nach dem ersten Lebensjahr seien »erweiterte Sozialkontakte« der Entwicklung förderlich. Das Kind solle erste Schritte in die Welt tun, damit es losgelöst von der Mutter eigene Erfahrungen machen könne. Deshalb seien es auch nicht nur die Kinder mit niedrigem sozialen Status, denen Krippen am meisten nützen, ergänzt die Entwicklungspsychologin Sabina Pauen, sondern »auch die überbehüteten Kinder«.
Für die meisten Kinder biete der Besuch einer Kindertagesstätte eine Fülle positiver Anregungen, die zu Hause nicht zu haben sind, so Pauen. »Die Kinder lernen verschiedene Erziehungsstile kennen und sich in einer Gruppe zurechtzufinden,das sind unschätzbare Erfahrungen«, sagt auch der Psychologe Alexander Grob. Vor allem für Erstgeborene seien die Krippen vorteilhaft, um soziale Fähigkeiten zu trainieren.
Allerdings, betont Grob, reagierten nicht alle Kinder gleich auf die Krippe. Wenn sich ein Baby vor anderen Kindern fürchtet, wenn es dauerhaft mit Tränen auf die Trennung oder den Trubel der Gruppe reagiert, dann sind Mutter, Vater oder Tagesmutter vielleicht die bessere Option. Auch Sabina Pauen betont, dass Eltern sensibel auf ihr Kind eingehen und es nicht nach einem bereits vor der Geburt festgelegten Fahrplan in den Kita-Alltag zwängen sollten.
Aber auch wenn einzelne Kinder sich bei einer Tagesmutter oder zu Hause wohler fühlen: Keine einzige seriöse Untersuchung deutet bisher auf Nachteile durch den Krippenbesuch hin. Gern zitieren Krippengegner eine US-Studie, die im Jahr 1991 begann. Die Untersuchung des National Institute of Child Health and Human Development (NICHD) verfolgte den Lebenslauf von mehr als tausend Kindern unterschiedlicher Herkunft. Dabei wurde auf alles Mögliche geachtet – etwa, welche Kinder nachts ins Bett nässten, welche unter Depressionen oder ständigem Bauchweh litten und welche das Zappelphilipp-Syndrom entwickelten. In all diesen Bereichen waren die Sprösslinge aus den Tagesstätten einfach ganz normale Kinder. Das wichtigste Ergebnis: Hauptsache, während der Zeit daheim läuft’s prima. Wenn die Kleinen bei Mama und Papa gut aufgehoben sind, entwickeln sie sich prächtig, auch wenn sie zwischendrin viel Zeit in der Obhut von Erzieherinnen verbringen. »Jedenfalls haben die Kinder keine Bindungsprobleme, wie Kritiker häufig anmerken«, sagt der Psychologieprofessor Michael Lamb.
Trotzdem ziehen Krippengegner gern ein Teilergebnis der NICHD-Studie für ihre Argumentation gegen die frühe Trennung von Mutter und Kind heran. Dieses kann zunächst erschrecken: Im Alter von 4,5 Jahren zeigte sich nämlich eine Auffälligkeit bei den Krippenkindern. Sie schienen etwas häufiger aufsässig zu sein als die daheim von Mutter, Kindermädchen oder Tagesmutter betreuten Kinder.
»Aufsässigkeit muss aber nichts Negatives sein«, betont MichaelLamb. Wenn die Kinder den Konflikt mit Lehrern oder Eltern suchen, sind sie womöglich einfach selbstbewusster als andere Kinder, sagt der Entwicklungspsychologe. Das sieht auch Stefanie Jaursch so, die genau den gleichen, ebenfalls minimalen Effekt in ihrer Erlanger Studie fand. Die Zeit der leicht erhöhten Aufsässigkeit vergehe aber bald wieder, so Jaursch. Und als alarmierend sei das Ergebnis ohnehin nicht einzustufen, sondern wahrscheinlich als ein ganz natürlicher Prozess, den in der Familie betreute Kinder erst in der Schule durchmachen. Kindergartenkinder seien »mehr Gruppenprozessen mit Gleichaltrigen ausgesetzt«. Da kommt es eben zu Hänseleien, Ausgrenzungen und auch dem Gebrauch von Schimpfwörtern.
Zweifellos
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