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Foto sehr unscharf. Man kann mein Gesicht beim besten Willen nicht erkennen. Und in dem dazugehörigen Artikel ist auch immer nur von einem »einunddreißigjährigen Mann« die Rede. Kein Gesicht, kein Name, kein Grund also, warum ich mich verkriechen müsste.
Ist alles noch mal halbwegs gutgegangen!
Kurz zu Facebook. Neue Freunde checken. Und zwischendurch die Uhr. Steffi minus drei Stunden. Alles klar. Eine Flasche Wein aufmachen und dazu ’ne Zigarette. Vorsichtig sein! Nur nicht zu viel trinken! Nicht schon voll sein, wenn du Schatzi triffst! Den Wein gut dosieren! Fünf Minuten später habe ich bereits zwei Gläser drin. Verdammt. Und Steffi immer noch minus drei Stunden. Freunde bei Facebook plus acht! Heißen: Frank , Jochen , Frauke , Ines , Dirk , Sonja , Manuel und Herr Bing . Mir alle so fremd wie Namen aus dem Alten Testament. Meine neuen Freunde. Ich habe sie angefragt, sie haben bestätigt. Bin also jetzt auch in ihrer Freundesliste zu finden. Facebook ist seltsam. Und ich nach Weinglas Nummer drei ein bisschen angetrunken. Blick auf die Uhr. Countdown läuft. S minus drei Stunden. Die Zeit steht wohl still.
Das vierte Glas Wein mische ich mit Wasser. Ich muss wirklich aufpassen, denn vielleicht gibt es heute Abend noch Sex. Hoffe ich jedenfalls. Sie freut sich ja.
Es ist schon fast drei Monate her, seitdem ich das letzte Mal Sex hatte. Mit Steffi natürlich. Ich weiß gar nicht genau, ob ich es noch kann. Nehme aber an, es ist wie mit Fahrradfahren, das man ja angeblich nie verlernt. Oder aber es ist wie Motorradfahren, und dann habe ich ein Problem.
S minus zwei Stunden und fünfundfünfzig Minuten.
Ich würde mich prinzipiell als ganz okay im Bett einschätzen, und mir auf einer Skala von Papst Benedikt bis Rocco Siffredi ein solides »Oliver Geißen« geben. Obere, aber unauffällige Mittelklasse eben.
Wenn ich so drüber nachdenke, ist es fast ein bisschen verwunderlich, dass ich nur ein Mittelklassestecher bin. Ich hätte längst aufleveln müssen. Bei so vielen Pornos, die ich in meinem Leben gesehen habe! Ich hatte ja sogar schon mit zehn Jahren einen eigenen Fernseher, und war am Samstagabend dementsprechend immer recht lange wach. So lange, bis »Tutti Frutti« und »Eis am Stiel« kamen. Und später hatten meine Eltern dann irgendwann Premiere. Wenn die mal weg waren, saß ich im Wohnzimmer vor einem verschlüsselten Schneegriesel und habe mir ab und zu eingebildet, ich sähe eine weibliche Brust. Das waren tolle Zeiten!
Heutzutage setzt einen die Pornoindustrie ganz schön unter Druck. Ich habe Stellungen gesehen, die nur von chinesischen Schlangenmenschen praktiziert werden können. Und teilweise auch ausprobiert. Bei einer bin ich nach hinten umgekippt. Und Steffi hat gelacht.
Mein sexuelles Wissen ist meinem Können klar voraus. Ich würde fast behaupten, mein Repertoire passt auf die kleine Zutatenliste einer Fünf-Minuten-Terrine. Und auch ansonsten haben wir einiges gemeinsam. Die Terrine und ich.
Silvio wird im Bett wohl mehr bringen als ein mittelmäßiges »Oli Geißen«. So sieht er jedenfalls aus. Er wird klare Ansagen machen und Stellungen bevorzugen, bei denen er der Boss ist. Unten liegen und romantisch verklärt nach oben gucken gibt es bei ihm nicht. Da wird bestimmt schon mal an den Haaren gezogen, ein kleines Backpfeifchen ausgeteilt und zur richtigen Zeit ein versautes Wort ins Ohr gebrüllt. Wie in den Filmen. Bei dem Gedanken daran, dass Steffi so etwas gefallen könnte, dreht sich mir der Magen um. Aber es ist wichtig, darüber nachzudenken. Offen und schonungslos damit umzugehen. Denn WENN ich heute Sex mit Steffi haben sollte, dann muss ich auch wissen, was sie mag, und was ich eventuell die letzten Jahre falsch gemacht habe. Ich muss es richtig bringen, um sie wieder zurückzugewinnen. Besser sein als Silvio Haarzieher-Backpfeifenverteiler-Ohrbrüller-Arschfotzenkopf. Mehr Rocco sein und weniger Oli. Ein richtiger Pornoficker eben. Unten liegen und romantisch verklärt nach oben gucken ist nicht mehr! Womit meine Lieblingsstellung wohl ein für alle Mal gestorben wäre.
Ich zünde mir eine Zigarette an und gieße etwas Wein in den Rest meiner lahmen Schorle.
Das wird alles andere als einfach heute Abend. Ich bin halt niemand, der richtig zupackt. Oder einer Frau sagt und zeigt, wo es langgeht. Dabei hätte ich das bei Steffi mal tun sollen. Sie ist immerhin erst fünfundzwanzig und mit ihrem BWL -Studium noch lange nicht fertig. Sie hätte jemanden
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