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Resturlaub

Resturlaub

Titel: Resturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
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Ha!«
    Ich finde Alex definitiv weniger lustig als er sich selbst.
    »Soll ich ihn mal fragen?«
    Ich nicke und Alex zieht ein flaches Handy aus seinem Mantel. Nach einem kurzen spanischsprachigen Telefonat, von dem ich lediglich meinen Namen verstehe, bekomme ich einen Zettel mit einer Adresse drauf.
    »Du hast Glück. Das hier ist Pedros Adresse, ist auf der Santa Fe.«
    »Auf einem Schiff?«, frage ich.
    »Nein, eine große Einkaufsstraße im Zentrum. Ich würde dich gerne mitnehmen aber ... Na ja, geht halt nicht. Nimm dir am besten gleich ein Taxi. Ein offizielles, hörst du?«
    »Danke!«, sage ich und schaue auf den Zettel mit der Santa-Fe-Adresse. »Du hast mir echt geholfen!«
    Ich schenke Alex eine Flasche Seppelpeter's Spezial's, die ich in meinem Rucksack mitgenommen hatte.
    »Für dich! Bierspezialität aus Franken!«
    Neugierig dreht er das Etikett.
    »Danke! Der Akzent ist aber falsch, hier: Spezial's!«
    Ich schaue Alex offenbar so böse an, dass dieser sich schnell von mir verabschiedet. Dann hebe ich mit der EC-Karte der Kreissparkasse Bamberg 400 Peso ab und trete hinaus in einen ebenso bitterkalten wie unberührten argentinischen Morgen.
    »So, mein liebes Argentinien«, sage ich laut, »Ich weiß nichts über dich und du weißt nichts über mich. Ist doch spannend, oder?«
    Statt einer Antwort kriecht ein eisiger Wind in mein kurzärmeliges Sommerhemd. Ich tippe die PIN in mein Handy und sehe nach mehrminütiger Netzsuche die Nachricht:
    23 Anrufe in Abwesenheit.
    Biene!
    Ich atme dreimal tief durch und lösche die Info aus meinem alten Leben.
    Langsam spüre ich, wie sich trotz meiner Aufregung Kälte und Müdigkeit in die Knochen schleichen. Mein Kopf fühlt sich dumpf an und etwas sehr Schweres liegt direkt über meinen Augen. Dann schalte ich mein Handy wieder aus und gehe zu dem Stand mit den offiziellen Taxen.
    Theory!
    ÜBER EINE DREISPURiGE BETONAUTOBAHN fährt mich ein knubbeliger Taxifahrer mit Glatze zunächst schweigend in Richtung Zentrum. Ich finde es unglaublich, dass er bei 12 Millionen Einwohnern die Adresse kennt. Wenn man einem Bamberger Taxifahrer eine Adresse in Würzburg-Heidingsfeld zeigt, dann kriegt man bestenfalls einen Vogel gezeigt und ein »Des geht fei net« zu hören. Wir fahren in einem ungefähr zehn Jahre alten Renault ohne Kopfstützen und Sicherheitsgurte, es geht eben auch ohne eine Million Verordnungen.
    » iDedöndesosvos? «, fragt mich mein Taxifahrer, als ich mich schon mit einer konversationslosen Fahrt abgefunden habe. Dedondesos. Ich hätte nicht gedacht, dass mich mein TouristenSpanisch so frühzeitig verlässt. Dedondesos . hmm .
    »^De Alemania?«, ergänzt er und blickt neugierig in den Rückspiegel. Ich nicke und frage, ob er auch Englisch spricht.
    Er tut es.
    Leider.
    »!Contamevosj Tell me«, fragt er mich neugierig lächelnd, nachdem er sich hinter einer roten Maut-Station wieder in den Verkehr eingefädelt hat, »... why did Hitler kill so many Jews?«
    Mir fällt fast mein Handy aus der Hand vor Schreck. Ich überlege sogar, ob ich richtig gehört habe. Doch der Unterschied zwischen »Welcome to Argentina!« und »Why did Hitler kill so many Jews?« ist nun mal enorm. Ich schlucke, werde rot und schaue etwas hilflos in den Rückspiegel.
    »You are German, you must know, right?«, ergänzt er freundlicherweise.
    Ich räuspere mich, werde noch roter und überlege, was ich sagen soll. Ich hatte neun Jahre lang Geschichte, hab zwanzig
    Arte-Themenabende über das Dritte Reich gesehen und mindestens hundert Artikel gelesen. Aber eine so konkrete Frage ist irgendwie nie vorgekommen.
    »Hitler hated them?«, lautet mein erster, kläglicher Antwortversuch.
    »Yes, but why?«, hakt mein Taxifahrer nach und schaut fragend in den Rückspiegel. Ein steinalter Lieferwagen mit Fertigbetonteilen überholt uns. Ich könnte den Taxifahrer fragen, wie Fertigbetonteile auf Spanisch heißen, aber er will ja unbedingt in die Untiefen der deutschen Geschichte abtauchen. Auch würde es mich viel mehr interessieren, wo in Buenos Aires die besten Bars sind und ob es nicht doch einen Strand gibt. Stattdessen versuche ich die Antwort zu vermeiden, die ein Deutscher auf die Frage »Warum hat Hitler so viele Juden umgebracht?« unmöglich geben kann:
    I don't know.
    Also starte ich einen zweiten Versuch.
    »He hated them, because they were such good businessmen?«
    Die Autobahn läuft inzwischen so eng an den umliegenden Hochhäusern vorbei, dass man auf der rechten

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