Resturlaub
ich drücke die Taste mit der 7 und ebenso qualvoll langsam wie quietschend setzt sich die Kabine in Bewegung.
Oben angekommen empfängt mich nicht Alex' Bekannter Pedro, sondern eine junge Frau mit gelockten, blonden Haaren und Stupsnase. Sie trägt eine braune Khaki-Hose und ein graues T-Shirt mit einem so unglaublichen Aufdruck, dass ich am liebsten auf der Stelle kehrtmachen würde. Auf dem T-Shirt steht: Otto Friedrich Universität Bamberg.
»Hi, ich bin die Keks!« »Keks?«, wiederhole ich erschrocken und starre dermaßen schockiert auf das Universitätslogo auf der Brust, dass mir die meisten Frauen die Tür vor der Nase zugehauen hätten, aus Angst, ich würde gleich über sie herfallen. Keks hingegen zupft nur irritiert an ihrem T-Shirt.
»Genau, Keks. Also eichentlich Kerstin. Hab ich an Fleggen da?«
Ich schüttle den Kopf und drehe mich möglichst unauffällig mit meinem Rucksack so, dass die Aufschrift »Seppelpeter's - auch zum Wandern super!« nicht zu sehen ist. Die Art, wie sie »Fleggen« gesagt hat, ist der Beweis: Sie hat nicht nur ein T-Shirt der Bamberger Uni an, sie muss auch aus der Gegend kommen.
»Äh, nein, keinen Fleck!«
»Jetzt komm erst amal rein! Bedro ist bei der Derapie, den lernste erst heute Abend kennen.«
»Derapie?«, frage ich. »Was hat er denn?«
»Brobleme mit seiner Mutter!«
»Warum spricht er dann nicht mit ihr?«
»Sein Broblem ist, dass sie tot ist.«
»Oh!«
Verunsichert trete ich in eine neonbeleuchtete, blaue Küche, die mit Krimskrams und Trödel nur so überladen ist. Auf den Schränken und Regalen, ja selbst auf dem Boden stapeln sich so viele Töpfe, Konserven, Geschirr, Kochbücher und Küchengeräte, dass man davon locker fünf neue Küchen einrichten könnte. Vermutlich haben alle bisherigen Mieter ihren gesamten Hausstand einfach dagelassen. An einem einfachen Tisch stehen drei Holzstühle, auf dem Tisch dampft ein offenbar frisch gebrühter Kaffee. Mir fällt auf, dass man in Deutschland ziemlich selten von der Eingangstüre gleich in die Küche kommt. Keks zieht einen Stuhl zu mir.
»Setz dich ruhig!«
»Danke.«
Ich fühle mich seltsam in der neuen Wohnung, wie ein Eindringling. Schwer vorzustellen, dass ich hier einmal ganz selbstverständlich ein und aus gehen werde.
»Du glaubst ja gar net, wie schön des is, nach so langer Zeit endlich mal wieder Deutsch zu hören«, freut sich Keks.
»Doch, doch«, sage ich, »kann ich mir . gut vorstellen!«
»Na ja«, lacht Keks, »für dich wird's was anderes sein, oder? Bist ja gerade erst angekommen, oder?«
»Genau! Aus Madrid. 14 Stunden. Ein Katzensprung, sozusagen!«
Ich setze mich an die Stirnseite des Tisches und trete meinen Seppelpeter's-Rucksack elegant mit dem Fuß unter den Tisch. Mit einem markerschütternden Miau springt ein graues Etwas hervor und verschwindet pfeilschnell in einer Art Miniwintergarten.
»Daxi!«, ruft Keks und springt auf, »du Armer! Hat dich der fremde Mann gedreden!«
»Scheiße! Hab ich gar nicht gesehen!«, entschuldige ich mich und folge der aufgeregten Keks auf einen verglasten Balkon, auf dem noch mehr Krimskrams steht und ein Korb mit einer verstörten Katze. Nur widerwillig lässt sie sich von Keks streicheln.
»Armer Daxi!«
»Wie heißt die?«, frage ich.
»Daxi. Bescheuerter Name, oder? Na ja, meine Idee war's net.«
»Und warum heißt sie Taxi?«
»Er. Es ist ein Kater. Weil er früher mal von hier oben direkt auf ein Taxi gefallen ist und der Fahrer ihn wieder hochgebracht hat.«
»Das hat er überlebt?«
»Ja offensichtlich!«
»Okay!«
Wie ich so vor Taxis Korb knie, sehe ich, dass der gesamte Boden mit Katzenhaaren bedeckt ist. Offenbar kann Keks Gedanken lesen, denn sofort erklärt sie mir, warum.
»Die Haare, die schleppt Bedro jeden Tag an.«
»Er arbeitet im Zoo?«
»Bedro ist Dierfriseur. >Hunde, Katzen, Diger< sagt er immer«, kichert Keks, »ich bin mir aber sicher, dass noch kei Diger dabei war.«
Na wunderbar! Mein Vermieter ist also ein witziger Tierfriseur in Therapie. Und meine Mitbewohnerin ist Fränkin.
»Und was treibt dich nach Buenos Aires?«, frage ich.
»Ich mach' Braktikum im Goethe-Institut!«
»Praktikum? Als was?«
»Na als Deutschlehrerin! Brauch ich für mein GermanistikStudium.«
Kein »t« aussprechen können, aber Deutschlehrerin werden wollen!
»Und woher genau kommst du?«, wage ich Keks zu fragen.
»Bamberch!«
Ich wusste es!
Ich sollte meinen Rucksack nehmen und in ein Hotel gehen für
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