Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Resturlaub

Resturlaub

Titel: Resturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
Vom Netzwerk:
Spur die Wäsche auf den Balkonen abnehmen könnte.
    »No, that's not the reason!«
    Enttäuscht schüttelt mein Taxifahrer den Kopf, kurbelt die Scheibe nach unten, um dieselgeschwängerte, argentinische Eisluft ins Innere des Wagens zu lassen.
    Ich frage mich, wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, direkt neben einer achtspurigen Autobahn Wäsche aufzuhängen.
    »I got a theory!«, sagt mein Taxifahrer schließlich stolz und hebt den rechten Zeigefinger. Das ist dann wohl der Punkt, an dem ich fragen muss, welche Theorie er wohl hat. Ich tue es.
    »What is your theory?«
    Nach einer fast schon feierlichen Pause von ungefähr siebzig
    Wäschebalkonen nennt mein Taxifahrer seine Theorie.
    »Hitler was a Jew himself!«
    Ach .!
    Warum haben mich meine Eltern nicht im Italienurlaub zur Welt gebracht? Dann wäre ich jetzt Italiener und der Taxifahrer würde mich nach Lazio Rom oder Berlusconi fragen. Manchmal ist das mit dem Deutschsein echt zum Kotzen! Argentinier werden wenigstens nur nach Maradona und Tango gefragt. Die Österreicher nach Schwarzenegger und die Franzosen nach Baguette, Wein, Käse und Liebe. Ich glaube, die Franzosen haben es von allen am besten. Und wir? Tod, Hass, Fanatismus, Völkermord und Fußball! Wenigstens Fußball .
    »Yes, I really think Hitler was a Jew himself!« wiederholt mein Taxifahrer und ich habe so gar nichts dazu zu sagen. Wie arm! Beleidigt kann ich nicht sein, denn wenn ich beleidigt wäre, dann wäre ich ja ein Nazi. Und wenn ich sagte, dass Hitler scheiße ist und er wirklich Jude war, dann wäre das ja bereits wieder antisemitisch. Nur wenn ich Jude wäre, dann würde ich ihm eine scheuern und aussteigen. Oder vielleicht zuerst aussteigen und ihm dann eine scheuern, nicht dass es zu einem Unfall kommt. Wie kompliziert alles ist! Wenn ich mal richtig viel Geld habe, dann kaufe ich Deutschland auf jeden Fall eine neue Geschichte zu Weihnachten. Dem Taxifahrer antworte ich sicherheitshalber mit einem unverfänglichen »Oh!«. Wir fahren gerade von der Autobahn ab und sind beim Thema Nürnberger Prozesse, als es mir reicht und ich ebenfalls eine beklemmende Frage stelle.
    »Are there still many Nazis in Argentina?«
    Seltsamerweise führt diese Frage bei meinem Fahrer zu keinerlei Verwirrung. Er sagt einfach nur.
    »Yes, many came after the war.«
    Ich frage ihn, warum sie dieses widerliche Nazi-Dreckspack nicht gleich wieder aus dem Land geschmissen haben oder noch besser, alle gleich erschossen oder geköpft haben. Er sagt, dass es unter Peron keine Probleme für Deutsche gab einzuwandern und dass man auch nicht so genau gefragt habe, wer denn nun Nazi sei und wer nicht. Dann sagt er zehn Minuten gar nichts mehr. Inzwischen scheinen wir bereits in das Zentrum von Buenos Aires vorzudringen. Die mehrstöckigen Häuser, die wir passieren, sind meist ein wenig verfallen, aber nicht ohne Charme. Auch die Wäsche auf den Balkonen wird weniger. Ich kenne mich nicht gut aus mit den verschiedenen Stilrichtungen, aber viele der Häuser würden selbst in Bamberg als Altbau durchgehen. Nach Südamerika jedenfalls sieht hier nichts aus: Wir könnten in Rom sein oder Madrid. Schließlich werden die Straßen breiter und die Häuser größer und nach wenigen Minuten sind wir da.
    Als ich einen 50-Peso-Schein aus meiner Geldbörse ziehe, sehe ich auf dem offiziellen Fahrerschild der Stadt Buenos Aires den Grund für das Nicht-Kommentieren meiner NaziBeschimpfungen. Mein Fahrer heißt Gustavo Müller.
    Keks
    ICH STEHE VOR EINER GROSSEN, silbernen Klingelmetallplatte mit bestimmt einhundert Knöpfen. Den Knöpfen selbst sind Apartmentnummern von 1A bis 16F zugeordnet, Namen so wie in Deutschland sind nirgendwo zu sehen. Ich schaue auf den Zettel, den mir Schraubenschmuggler Alex gegeben hat, und drücke auf die 7E. Nach einigen Sekunden höre ich eine weibliche Stimme aus dem Lautsprecher.
    »^Quienes?«
    Da ich denke, dass man weltweit das Gleiche fragt, wenn jemand klingelt, sage ich:
    »Peter Greulich!«
    Der Türsummer geht und ich trete in eine etwas heruntergekommene Eingangshalle mit einem kleinen Tisch und einem Stuhl, auf dem ein älterer Herr in Uniform sitzt und schläft. Als er mich die Eingangstreppe hochkommen hört, wacht er auf, lächelt und drückt den Aufzugknopf für mich.
    »jBuenas dias, senor!«
    »Gracias«, lispele ich so argentinisch und selbstverständlich wie möglich und steige in einen winzigen, holzverkleideten Aufzug. Der ältere Herr zieht ein Stahlgitter vor,

Weitere Kostenlose Bücher